Die Wiener Gebietskrankenkasse wäre im Deutschen öffentlichen Kassenwettbewerbs-System aktuell nicht wettbewerbsfähig – Gründe

In Beitrag 25 (LINK) wurde die Wirkung des „Ausgleichsfonds der Gebietskrankenkassen“ analysiert und dabei festgestellt, dass interessanterweise ältere, beitragsschwächere Gebietskrankenkassen (NÖGKK, OÖGKK, SGKK) über den Ausgleichsfonds die junge, beitragsstarke/beitragsstärkste Wiener GKK (WGKK) bezuschussen. Bezuschusst wird damit vor allem das ambulante Überangebot in Wien (derzeit 281 Ärzte-VZÄ – LINK), weniger das Hanusch-KH.  Zudem wurde gezeigt, dass sich unter den Bedingungen des deutschen öffentlichen Krankenkassen-Systems (GKV) im GKK-System einiges ändern würde.  Dort wäre die Wiener GKK aufgrund der jungen Versichertenstruktur ein großer Nettozahler und würde mit ca. 254 Euro je Vers. weniger als derzeit (1847 Euro je Vers.) wirtschaften müssen, was für die Wiener GKK das finanzielle Aus bedeuten würde. Profitieren würden vom veränderten “Kassen-Finanzausgleich” sämtliche Bundesländer-GKKn (siehe Abb. 1, vorletzte Spalte).

Abb. 1: GKK-Erträge und Kassen-Finanzausgleich – Benchmark: Dt. Risikostrukturausgleich

Deutscher Morbiditätsbasierter Risikostrukturausgleich (“Morbi-RSA”)

Grund für die Nicht-Wettbewerbsfähigkeit der Wiener GKK in Deutschland wäre, dass sich das deutsche Wettbewerbs-Krankenkassen-System kurioserweise gegenüber älteren, morbideren Krankenkassen deutlich solidarischer zeigt als das österreichische Nicht-Wettbewerbs-Krankenkassensystem (sonst Risikoselektion). So definiert der deutsche Ausgleichsmechanismus (“Morbi-RSA” – LINK) die Risikostruktur der Krankenkassen nämlich ausschließlich über die Alters- und Morbiditäts-Struktur der Versicherten und verteilt danach. Dabei transferieren die Krankenkassen zunächst sämtliche Beiträge und Erträge an den Deutschen Gesundheitsfonds. Der Gesundheitsfonds weist anschließend das Fonds-Volumen (200 Mrd. Euro) sämtlichen Kassen auf Versichertenebene in Form von einheitlichen Pauschalen zu (=100%iger Einkommensausgleich) und ergänzt abschließend die Pauschalen um Morbiditäts- und Alterszuschläge (=Risikostrukturausgleich). Die Zuschläge ergeben sich dabei aus einem Regressionsmodell, das jährlich auf den neuesten Datenstand gebracht wird. Die hohe Solidarität gegenüber „älteren“ Kassen hat jedoch keine sozialromantischen Gründe, sondern ist einfach die Grundlage für fairen Wettbewerb unter den 130 dt. öffentlichen Krankenkassen. Ohne RSA wären die Krankenkassen motiviert, verstärkt junge, gesunde, wenig kostenintensive Menschen zu versichern, anstatt ältere, morbidere, kostenintensive (Risikoselektion).

Vergleich: Morbi-RSA mit Ausgleichsfonds der GKKn

Ein 100% Einkommensausgleich, wie im dt. Krankenkassen-System, ist im ö. GKK-System aktuell nicht vorgesehen. Den GKKn bleiben 98,36% der Beitragseinnahmen. Nur 1,64% gehen an den „Ausgleichsfonds“, worüber danach ein „kleiner“ Risikostrukturausgleich stattfindet. Allerdings schwanken Versicherten-Altersstrukturen der dt. Kassen deutlich stärker als bei den regional agierenden ö. Kassen, weshalb der ö. Ausgleichfonds verhältnismäßig gar nicht mal so „klein“ bemessen ist.

Wesentlicher Unterschied – Regionalfaktor

Ein großer Unterschied besteht vor allem beim „infrastrukturellen Ausgleich” (“Regionalfaktor”). Während man in Deutschland explizit davon absieht und damit argumentiert, dass der Ausgleich von angebotsseitigen regionalen Unterschieden (Bettendichte, Ärztedichte,…) zu einer ungewünschten Verfestigung bestehender Strukturen führen würde (LINK), ist in Österreich ein  “infrastruktureller Ausgleich” (“Wiener Großstadtfaktor”) vorgesehen. Ohne ihn wäre die Wiener GKK ein großer Netto-Zahler, tatsächlich ist sie jedoch ein Netto-Empfänger. Zwar wird auch von mehreren dt. Krankenkassen (mit urbaneren Versicherten) ein regionaler Ausgleichsfaktor in den RSA hineinreklamiert – Argument: sonst Risikoselektion zuungunsten urbaner Versicherter – realistisch ist eine Verwirklichung in den nächsten Jahren allerdings nicht. Dabei wäre ein regionaler Ausgleichsfaktor in Deutschland viel eher gerechtfertigt, da die dt. Kassen auf die regionale Angebotsplanung kaum Einfluss haben. Und  Ausgabentreiber, auf  die die Kassen kaum Einfluss haben (exogene Faktoren), sollten  den RSA-Prinzipien entsprechend eigentlich ausgeglichen werden. Einen zu geringen Einfluss auf die ambulante Wiener Angebotsplanung kann man der Wiener GKK hingegen wahrlich nicht nachsagen, schließlich hat sie in Wien ein Quasi-Monopol. Verkehrte Welt, sozusagen. In Zahlen beträgt der Wiener Großstadtfaktor ca. 254 Euro je Versicherten oder 14% der Erträge der Wiener GKK.

Anhang:

Abb. 2: RSA-Zuschläge für Altersgruppen
Quelle: Deutsches Bundesversicherungsamt

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