Deutschland (“freie Kassenwahl”) vs. Österreich (“Pflichtversicherung”)

Die ÄK Steiermark hat mich gebeten, etwas zur “Freien Kassenwahl” zu schreiben. Im Beitrag komm ich zum Schluss, dass die Pflichtversicherung folgendes Problem verursacht: “Und da auch kein Kassenwechsel möglich ist, haben wir eigentlich gesetzlich legitimierteRisikoselektion. Also genau das, was man glaubt, durchdie Unterbindung der freien Kassenwahl zu verhindern.”

Hier der ganze Beitrag:

Gesetzlich legitimierte Risikoselektion

1990 waren die Kassensysteme in Österreich und Deutschland durch massive Vermögensunterschiede gekennzeichnet. Benachteiligte Versicherte durften aber nicht zu Kassen mit höherer Finanzkraft und besseren Leistungen wechseln. Alles war extrem unfair.

Seither hat sich viel getan, zumindest in Deutschland.Dort entschied man sich 1994 für einen umfassenden Kassenfinanzausgleich (RSA). Dieser sorgt seither für diebedarfsgerechte Finanzausstattung der Kassen und garantiert bei freier Kassenwahl fairen Wettbewerb. Neben derVerteilungsgerechtigkeit hat der Wettbewerb aber auch die Entwicklung von innovativen Versorgungsmodellen(DMP-, Hausarzt-Modelle …) vorangetrieben. Denn eine Kasse, die sich Versorgungsvorteile verschafft, spart Kosten und kann womöglich ihre Beiträge senken. Davonprofitieren nicht nur Versicherte der Kasse, sondern alle,die sich entschließen, zu dieser Kasse zu wechseln.

Was hat sich in Österreich im selben Zeitraum getan? Nichts. Kein RSA. Keine Verteilungsgerechtigkeit. KeineKassenwahl. Kaum Versorgungsinnovationen. Das ermöglichte etwa der BVA, trotz hochgradiger Ineffizienz (Verwaltung: 70 % über Pro-Kopf-Benchmark), 800 Mio.Euro Vermögen aufzubauen – also exakt so viel wie der 10-mal größere GKK-Sektor!

Genauer erklärt: Die BVA versichert eine gut verdienende Klientel, gleichzeitig existiert aber kaum Solidarität zwischen den Kassen in Form eines RSA, wie in Kassenwettbewerbssystemen. Und da auch kein Kassenwechsel möglich ist, haben wir eigentlich gesetzlich legitimierteRisikoselektion. Also genau das, was man glaubt, durch die Unterbindung der freien Kassenwahl zu verhindern.

Es gibt nun 3 Auswege für mehr Verteilungsgerechtigkeit: 1) RSA, 2) freie Kassenwahl, der am besten 3) beides. Andernfalls ist die geplante Leistungsharmonisierung fürdie ärmeren Kassen auch nicht leistbar.

(LINK)

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Zufriedenheit mit den Krankenkassen sinkt signifikant

Ich kann den Hauptautor der LSE-SV-Studie nicht oft genug zitieren, der gemeint hat, dass jedes Land immer glaubt, alle anderen Länder hätten bessere Gesundheitssysteme. Na auf Österreich trifft das definitiv nicht zu. Man ist mittlerweile ja gewohnt, dass die „unfehlbare“ SV und ihre „unfehlbaren“ Stakeholder (AK, ÖGB,…) das dynamischere und deutlich fairere deutsche Kassensystem laufend mit völlig falschen Argumenten schlecht reden, um sich vor den notwendigen Veränderungen zu drücken. Aber es kommt ja jede Woche eine neue Facette dazu. Highlight der Woche, die komplette Fehlinterpretation der GfK-Studie über die „Zufriedenheit mit den Kassenleistungen“ (LINK). Völlig zum Ruhme der SV, keine Spur Selbstkritik. Also man kann schon mit Fug und Recht behaupten, die SV und ihre Stakeholder finden sich selbst ziemlich, ziemlich geil.

Aber was ist genau passiert. In einer GfK-Studie ist rausgekommen, dass nur noch 76% der öst. Versicherten mit den Krankenkassen-Leistungen zufrieden sind (Abb. 1). Wahrscheinlich nicht ohne Grund hat GfK die Befragungsergebnisse der vergangenen Jahre mitgeliefert, wo man sehr deutlich sieht, dass die Zufriedenheitswerte zwischen 2013 und 2017 von 82% auf 76% signifikant zurückgegangen sind. Vermutlich hat GfK aus Rücksicht auf den Auftraggeber (SV) keine Interpretation unter die Grafik gesetzt. Aber damit auch die Grundlage gelegt, dass die SV die GfK-Ergebnisse (bewusst) völlig falsch interpretiert („unverändert hohe Zufriedenheit“). Aber Selbstkritik ist in der SV kaum vorhanden. Eigentlich müsste man sich jetzt fragen: 1) Wer sind die 24% Unzufriedenen, 2) wieso sind sie unzufrieden und 3) was können wir dagegen machen. Zumindest würden sich das Kassen in Kassenwettbewerbssystemen (BRD, CH, NL,…) jetzt denken.

Abb. 1: (Un-)Zufriedenheit mit Krankenkassenleistungen 2013-2017

Und weil diese Selbstkritikfähigkeit in Kassenwettbewerbssystemen vorhanden ist, kommts beim Vergleich mit deren Zufriedenheitswerten noch dicker. So liegen in Deutschland (LINK) und der Schweiz (LINK) die Zufriedenheitswerte mit den Krankenkassen über 90% (Abb. 2). Die freie Kassenwahl ist höchstwahrscheinlich tatsächlich der Hauptgrund für die höhere Zufriedenheit mit den Kassen. Denn das IHS hat in seiner SV-Studie (LINK) geschrieben, dass die freie Kassenwahl zumindest bewirkt, dass die Versicherten ihren Unmut mit ihrer Kasse Ausdruck verleihen können, indem sie zu besseren Kassen wechseln können und dann hald zufriedener sind.

Abb. 2: Kassenzufriedenheit in Ö, CH u. BRD

Anhand der GfK-Grafik (Abb. 1) beschrieben: Wenn ein öst. Versicherter mit seiner Krankenkasse „unzufrieden“ ist, aber trotzdem nicht zu einer besseren Kasse wechseln kann, wird sein Gemütszustand mittelfristig auf „sehr unzufrieden“ fallen. In der Schweiz oder Deutschland wird ein Versicherter durch den möglichen Kassenwechsel aber von „unzufrieden“ möglicherweise auf „zufrieden“ oder sogar „sehr zufrieden“ wechseln. Insgesamt spiegelt sich das in den deutlich höheren Zufriedenheitswerten mit dem deutschen und dem schweizerischen Kassensystemen wider. Aber was kümmert’s die „unfehlbare“ SV in Österreich.

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Was kostet die Leistungsharmonisierung bei den Krankenkassen

Was kostet die Leistungsharmonisierung bei den Krankenkassen?

Eigentlich ist die Frage, was die Leistungsharmonisierung bei den Krankenkassen kosten müsste, schnell beantwortet. Nämlich nichts.

Die aktuellen massiven Leistungskatalogsunterschiede sind nämlich auf den Umstand zurückzuführen, dass die Finanzmittel unter den Kassen nicht bedarfsgerecht verteilt sind, da es keinen umfassenden Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen gibt. Wären die Finanzmittel der Risikostruktur entsprechend fair verteilt, wie beispielsweise im deutschen oder holländischen Krankenkassensystem, dann würden sich die Leistungskataloge sehr schnell von selbst harmonisieren. Bei reicheren Kassen nach unten, bei ärmeren Kassen nach oben.  Zusatzleistungen müssten über Zusatzbeiträge oder durch Effizienzgewinne finanziert werden.

Was ich übrigens gerade anhand des deutschen und holländischen Kassensystems beschrieben habe, ist Liberalismus => 1) Gleiche Startvoraussetzungen schaffen, 2) danach ist jeder auf sich selbst gestellt.

Im öst. Kassensystem scheitern wir aber schon daran, den ersten Punkt zu verwirklichen, obwohl der mit „linken“ Wirtschaftstheorien zu 100% im Einklang steht. Und da wir in Österreich Probleme nie an der Wurzel bekämpfen, stattdessen immer nur flicken, kostet die Leistungsharmonisierung etwas.

Ebenen der Harmonisierung

Ich habe es eingangs bereits erwähnt, die Finanzmittel bei den Kassen sind nicht bedarfsgerecht verteilt, deswegen ergeben sich bei den Leistungskatalogen folgende drei Unterschiede (siehe Abb. 1):

1)      Anzahl der Leistungen: bei höherer Finanzkraft können von der Kasse mehr Leistungen angeboten werden

2)      Höhe der Zuzahlungen: bei höherer Finanzkraft der Kasse müssen Versicherte weniger Leistungs-Zuzahlungen bezahlen (Beispiele: Zahnersatz, Impfungen,…)

3)      Höhe der Arzthonorars: bei höherer Finanzkraft können Kassen den Ärzten höhere Honorare zahlen

Abb. 1: Ebenen der Harmonisierung

 

Bedenken bei der Harmonisierung

Die Krankenkassen haben bei der Harmonisierung die ersten zwei Punkte im Fokus (Harmonisierung bei: Anzahl der Leistungen und Höhe der Zuzahlungen). Die Annahme ist, dass  durch die Angleichung der Unterschiede für die Versicherten gleiche Verhältnisse geschaffen werden. Stimmt, aber nur auf den ersten Blick. Denn wenn die Arzthonorare von der Harmonisierung ausgenommen werden, wen wird der Arzt bevorzugt behandeln? Richtig, tendenziell die Patienten von Kassen, für den der Arzt höhere Honorare bekommt. Auch der Arzt hat seine Praxis zu finanzieren und muss deshalb ein Stück weit ökonomisch denken, auch wenn das einige aus der linken Reichshälfte nicht hören wollen…

Was kostet die Leistungsharmonisierung

Eigentlich steht schon alles in der LSE-Studie (LINK – S.240). Dort geht man bei der völligen Harmonisierung (alle 3 Ebenen) von 0,936 bis 1,156 Mrd. Euro. Die LSE hat dabei sämtliche Kassen-Ausgaben genommen und dabei die durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben aller Kassen bzw. 70% der pro-Kopf-Ausgaben der Kasse mit den höchsten Pro-Kopf-Ausgaben als Zielwert für die Harmonisierung genommen.

In den folgenden Berechnungen werden lediglich die steuerbaren Ausgaben der Kassen herangezogen. Dabei werden von den Gesamtausgaben im Wesentlichen die KH-Ausgaben rausgenommen (siehe Zielsteuerung – Monitoring-Bericht 2014/I, Seite 13). LINK

Zu Ermittlung der Harmonisierungskosten wurde zunächst der durchschnittlich altersstandardisierte Finanzbedarf der Kassen geschätzt. Siehe Abb. 2: schwarze Regressionslinie. In der Grafik sieht man sehr schön, dass sich die BVA, die Wiener GKK und die Eisenbahnerkasse deutlich über den durchschnittlichen, altersstandarisierten Ausgaben-je-Kopf-Niveau befinden. Zyniker würden sagen, die üblichen Verdächtigen. Bei der WGKK liegt es weniger am Leistungskatalog, sondern an der ärztlichen Überversorgung in Wien. Deutlich unter den altersst. durchschnittlichen Ausgaben je Kopf findet man die SVA, die SVB und die OÖGKK. Die Versicherten von SVA und SVB versuchen wohl aufgrund ihrer Betriebsverantwortung krankheitsbedingte Ausfälle zu vermeiden. In OÖ ist bekanntlich die Facharztversorgung nur unterdurchschnittlich und das Spitalsniveau überdurchschnittlich, weshalb im ambulanten Bereich ein unterdurchschnittliches Ausgabenniveau zu erwarten war.

Abb.2: Altersstandardisierter durchschnittlicher Finanzbedarf je Kasse

Nimmt man jetzt die Regressionslinie (durchschn., altersst. Ausgabenniveau bzw. Finanzbedarf) her, und erhöht alle Kassen zumindest auf dieses Niveau, kommt man auf Harmonisierungskosten von 234 Mio. Euro. Geht man etwas weiter und will, dass alle Kassen zumindest den aktuellen Durchschnittsbedarf +5% erreichen, kostet die Harmonisierung 534 Mio. Euro. Richtig teuer wird es, wenn man das BVA-Niveau erreichen will. Dann müssten nämlich alle Kassen das aktuelle durchschn. Ausgaben-Niveau + 11,3% erreichen. Kostgenpunkt 966 Mio. Euro. Jährlich wohlgemerkt. Siehe Abb. 3.

Abb. 3: Kosten der Harmonisierung

Schlussfolgerungen

Die beschlossenen Finanzmittel für die Harmonisierung der Krankenkassenleistungen (45 Mio. Euro – LINK) sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber deutlich zu wenig. Es sind min. 234 Mio. Euro jährlich nötig. Um Versichertenselektion zu vermeiden, sind sogar 966 Mio. Euro notwendig. ABER würde man endlich das Problem bei der Wurzel bekämpfen und einen umfassenden Kassen-Risikostrukturausgleich einführen, wie von der LSE-Studie gefordert, würde die Harmonisierung gar nichts kosten…

Anhang:

Ausgabenregression in Tabellenform: Man sieht welche Kassen unter den durchschnittlichen, altersstandardisierten Ausgabenniveau (Erwartungswert) liegen und welche Kassen darüber. Man kann den durchschnittlichen, altersstandardisierten Ausgabenwert als Pro-Kopf-Finanzbedarf der Kasse sehen. Im deutschen und holländischen Kassensystem bekommen die Kassen diese Werte vom Gesundheitsfonds zur Versorgung ihrer Versicherten zur Verfügung gestellt.

Abb. 5: Ausgabenregression in Tabellenform

Bei den Berechnungen hab ich gesehen, wie wichtig die Kenntnis der Mehrfachversicherten ist. Ich habe bereits 2013 eine Kassen-Ausgaben-Regression durchgeführt und die über 9 Mio. Versicherten-Verhältnisse für alle Kassen mit einem pauschalen Korrekturfaktor auf die Einwohner (ca. 8,4 Mio.) runtergerechnet. Da SVA und SVB deutlich mehr Mehrfachversicherte haben, hab ich dort 2013 die Versichertenzahl zu wenig nach unten korrigiert. Folglich hat es so ausgesehen, als ob die SVA und SVB extrem niedrige Ausgaben je Kopf aufweisen (zu großer Nenner).  Bei der 2015er-Regression, wo ich den genauen Anteil der Mehrfachversicherten berücksichtigt habe (Abb. 7, Abb. 8), bewegen sich die Pro-Kopf-Ausgaben der SVA und SVB deutlich näher zu den altersstandardisierten Durchschnittsausgaben hin. Vergleiche Abb. 5 und Abb. 6. Die Mehrfachversichertenverhältnisse findet man in der LSE-Studie (S. 183).

Abb. 5: Zusammenhang Leistungsausgaben je Kopf und Alter (2015)

Abb. 6: Zusammenhang Leistungsausgaben je Kopf und Alter (2013)

Abb. 7: Mehrfachverschicherte lt. LSE-Studie

Abb. 8: Versicherte 2015, bereinigt um Mehrfachversicherte

 

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Kritik der österreichischen Selbstverwaltung am deutschen Krankenkassensystem – ein Faktencheck

Es ist immer wieder überraschend, aber auch erheiternd, wie Vertreter der ö. Selbstverwaltung  & Co über das deutsche Krankenkassensystem herziehen und fehlinformieren. In Grunde genommen widerlegt es genau das, was der Hauptautor der LSE-SV-Studie, Prof. Elias Mossialos, vor kurzem gemeint hat. Er stellte nämlich fest, dass „alle Länder glauben, andere Länder hätten viel bessere Gesundheitssysteme“.

ABER das ist in Österreich eben genau nicht der Fall, stattdessen immerwährende Selbstbeweihräucherung. Denn entgegen der Fehlinfos der öst. Selbstverwaltung, ist das österreichische Krankenkassensystem deutlich verwaltungsintensiver, unsolidarischer und undynamischer als das deutsche Krankenkassensystem. Im Faktencheck des Beitrags (zweite Hälfte) befinden sich die empirischen Belege.

Wer verbreitet Fehlinformation über das deutsche Krankenkassenwesen

Fehlinformation über das deutsche Krankenkassensystem (GKV), bezüglich Risikoselektion, Verwaltungskosten, Werbeausgaben, Kosten der Kassenfusionen,… stammen in der Regel von der Gewerkschaft, der Arbeiterkammer und den Kassen selbst (LINK, LINK, LINK, LINK). Also Instituionen, die entweder direkt oder indirekt mit der Funktionärsriege der öst. Kassen verbandelt sind. Grundsätzlich kann ich mir die laufende und etwas fragwürdige Kritik  der öst. Selbstverwaltung am deutschen Kassensystem nur folgendermaßen erklären. Der durchschnittliche Selbstverwaltungs-Funktionär findet es einfach gemütlicher nichts zu tun, anstatt sich das deutsche Kassensystem mal näher anzusehen und sich davon etwas abzuschauen. Und das deutsche Kassensystem wär eine hervorragende Vorlage für die nötigen, austehenden Reformen. Allein in meinen vier Jahren Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK) hab ich zahlreiche Gesetzesänderungen, System-Anpassungen und Gutachten miterlebt (Versorgungsstärkungsgesetz, KH-Qualitäts-Vergütungsgesetz, Annualisierung, kassenindividueller Zusatzbeitrag, Innovationsfonds, zahlreiche Gutachten), die in Österreich in 40 Jahren nicht zustande kämen. Für mich ist der deutsche Kassenwettbewerb für die hohe Dynamik ursächlich, da jede Kasse ständig versucht einen Wettbewerbsvorteil rauszuholen. Und da in Österreich nicht mal ansatzweise Wettbewerb vorhanden ist, ist das System irgendwann völlig erstarrt, zu dem was es jetzt ist.

Charakteristik des deutschen Krankenkassensystems

Es gibt praktisch seit Jahrzehnten kaum Entwicklung im österreichischen Kassensystem. So sind wir bezüglich Verteilungsgerechtigkeit mittlerweile eines der unsolidarischten Krankenkassensysteme europaweit, gekennzeichnet durch systematische, fixierte Risikoselektion.

Die Deutschen haben hingegen einen umfassenden Risikostrukturausgleich (Alter und Morbidität) zwischen den Krankenkassen, der laufend verbessert wird und für bedarfsgerechte Finanzausstattung der Kassen sorgt. Sollte dem Versicherten danach seine Kasse immer noch nicht passen, kann er zu einer anderen wechseln - in der GKV ist der Versichterte ist König, nicht die Kasse. Zwar sind 95% der Leistungen vereinheitlicht (EBM; LINK), aber trotzdem können sich die Kassen über Zusatzleistungen oder mehrere mögliche Versorgungsverträge (DMP-, Hausarzt- u. IGV-Verträge) unterscheiden. Versorgt eine Kasse überdurchschnittlich und kann es nicht durch überdurchschnittliche Effizienz finanzieren, dann muss sie Zusatzbeiträge erheben. Eine deutsche Kasse kann also nicht auf Kosten der anderen Kassen ihre Versorgungsstrukturen hochfahren, wie es im GKK-System möglich ist und von Wiener GKK praktiziert wird. Die Wiener GKK wäre im deutschen System, wo es keinen Ineffizienz-stiftenden Liquiditätsausgleich und Regionalausgleich gibt (siehe „Ausgleichsfonds der GKKn“), wahrscheinlich längst pleite. Auch die „Finanzierung aus einer Hand“ ist in Deutschland seit Ewigkeiten umgesetzt, was den Anreiz zu „ambulant vor stationär“ fördert. Denn wer die oben erwähnten Vertragsmöglichkeiten nutzt und seine Versicherten bereits im ambulanten Bereich entsprechend versorgt, kann massive Einsparungen erzielen. Was das deutsche System ebenfalls auszeichnet, ist, dass  von Seiten der Kassen offen diskutiert wird, Unmut offen ausgedrückt wird und das System insgesamt transparenter ist – siehe Link zu Beitrag von Diskussion zwischen Krankenkassen (LINK). So einen offenen Positionsaustausch zwischen den Kassen gibt es in Österreich nur selten, zuletzt im dritten Teil der LSE-Studie (LINK) – unbedingt durchlesen, das werden wir so schnell nicht mehr erleben.

FAKTENCHECK

Aber fangen wir endlich mit einem Faktencheck an. Wie sehr stimmt das wirklich, was AK, Gewerkschaft und die öst. Kassen über das deutsche Kassensystem verbreiten.  Betrachten wir zu Beginn einen Satz aus einer aktuellen ÖGB-AK-Publikation (August 2017).

Propaganda-Keule 1: „Das System der Pflichtversicherung ist effizient und effektiv, weil es einen Risikostrukturausgleich gewährleistet und mit einem niedrigen Verwaltungsaufwand funktioniert.“  (LINK)

Das sind 3 Fehlinfos in einem Satz, einfach mal dahin geschrieben, völlig ohne Beleg. Dass die Pflichtversicherung nicht effizienter und definitiv nicht weniger Verwaltungsaufwand garantiert, wird unter Punkt 2 gezeigt. Außerdem setzt die öst. Pflichtversicherung weniger stark auf DMP-, Hausarzt- und IGV-Modelle und kennt keine „Finanzierung aus einer Hand“. Sie kann daher kaum effektiver als das deutsche Krankenkassenwettbewerbssystem (Versicherungspflicht) sein. Was ich aber als erstes entschieden widerlegen will, ist, dass das österreichische Krankenkassensystem einen Risikostrukturausgleich garantiert. Den gibt es bei uns nicht in umfassender Form, viele nennen unserer System daher “Mehr-K(l)assen-System”. Sprich: es ist ungerecht und gekennzeichnet durch systematische, fixierte Risikoselektion. BVA gute Risiken, GKK schlechte Risiken.  Einen alle Kassen umfassenden RSA, der Risikostrukturausgleich garantiert und Riskoselektion verhindert, so wie in Deutschland, ist bei uns sogar verfassungsrechtlich verboten! (LINK, LINK) Da greift man sich auch als Wirtschaftsliberaler (Credo: Startgerechtigkeit) echt auf den Kopf! Es gibt lediglich einen marginalen Risikostrukturausgleich zwischen den GKKn („Ausgleichsfonds der GKKn“), und selbst der ist laut RH stark reformbedürftig, da er viel zu klein ist und auch Faktoren ausgleicht, die von den Kassen beeinflusst werden (regionales Angebot), was zu Ineffizienzen verleitet (LINK, LINK). Da wir keinen umfassenden Risikostrukturausgleich wie in Deutschland haben, gibt es bei den Krankenkassen einen gewaltige Spreizung was die Finanzausstattung betrifft. Dieser negative Umstand spiegelt sich in der Vermögensverteilung wider (siehe Abb. 1). Die GKKn könnten sich im Grunde genommen die geforderte Leistungsharmonisierung nach oben in der derzeitigen Situation gar nicht leisten. Und ohne die nötigen Verfassungsänderungen, um mehr Solidarität und einen umfassenden RSA nach deut. Vorbild zu ermöglichen, wird daraus auch mittelfristig nix werden…

Abb. 1: Krankenkassenvermögen

Propaganda-Keule 2: „Deutsche Krankenkassen haben doppelt so hohe Verwaltungskosten“

Also diesen Punkt hab ich bereits mehrfach widerlegt (LINK, LINK), die österreichischen Krankenkassen verwalten sogar etwas höher als deutsche Krankenkassen (siehe unten). Meine Berechnung wurde sogar von der Wirtschaftskammer in der WK-SV-Studie aufgegriffen (LINK). Der Trick der öst. Kassen ist, dass sie Verwaltungskosten in mehrere Ausgabenkategorien aufteilen, nämlich in den Verrechnungsaufwand die Abschreibungen, den Vertrauensärztlichen Dienst und in die sonstigen betrieblichen Aufwendungen. Als Verwaltungsaufwand wird im Anschuss nur der Verrechnungsaufwand ausgewiesen. Die deutschen Krankenkassen fassen gleich alle Positionen zu Verwaltungskosten und sonstige betriebliche Aufwendungen zusammen. Rechnet man entsprechend um, verwalten die öst. Krankenkassen sogar etwas teurer als die deutschen Krankenkassen, grundsätzlich aber immer noch günstig (siehe Abb. 2)

Abb. 2: Verwaltungskostenquote Österreich und Deutschland (Quelle: SV, KJ1-KV45)

 

Propaganda-Keule 3: „Deutsche Krankenkassen stecken beträchtlichen Teil Werbung“

Keine Ahnung wieso die österreichische Selbstverwaltung das ständig behauptet, auf jeden Fall liegt die Werbungsausgabengrenze in der deutschen GKV bei 2,5 Euro je Versicherten. 2016 betrugen die Werbeausgaben in der GKV bei 170 Mio. Euro oder 0,076% der Gesamtausgaben, also fast gar nix (siehe Abb. 3). Aber auch die österreichischen Nicht-Wettbewerbskassen haben Öffentlichkeitsausgaben, nur nicht umfassend veröffentlicht. Von der ausgewiesenen Ausgaben der Wiener GKK kommt man schätzungsweise auf ca. 5 Mio. Euro Werbeausgaben für alle ö. Kassen pro Jahr (siehe Abb. 4).

Abb. 3: Werbeausgabenquote in der GKV

 

Abb. 4: Werbeausgaben in der Wiener GKK

Propaganda-Keule 4: „Ältere, morbide Menschen finden bei deutschen Krankenkassen nur schwer Versicherungsschutz.“

Also dieses Argument gegen die deutschen Krankenkassen verursacht bei mit nur Kopfschütteln. Es zeigt nur, dass sich die öst. Selbstverwaltung mit dem deutschen System kaum beschäftigt. Keine Krankenkasse in der GKV kann einen potentiellen Versicherten ablehnen, auch wenn er noch so alt und morbid ist. Und Spätestens seit der Einführung des Morbi-RSA (2009) und der überproportionalen Hochrechnung der Verstorbenen-Ausgaben (2013) sind die älteren Krankenkassen(-Lager) (AOK + KBS) gegenüber die jüngeren Krankenkassen(-Lagern) (VDEK + BKK + IKK) signifikant systematisch im Vorteil. Sehr deutlich sieht man das an den Finanzergebnissen (siehe Abb. 5). Bereinigt man um die unterschiedlich hohen Zusatzbeiträge, sind die Unterschiede sogar noch höher. Mittlerweile zahlt es sich gar nicht mehr aus, ältere Menschen gesund zu halten, da mit älteren, multimorbiden Versicherten Morbi-Zuschläge lukriert werden können, die zu Kostendeckungsgraden von bis zu 150% führen. Also keine Spur von Anreizen zu Risikoselektion!

Abb. 5: Finanzergebnisse in der GKV

AOK… Allgemeine Ortskrankenkassen (ca. 26 Mio. Versicherte)

KBS… Knappschaft (ca. 2 Mio. Versicherte)

VDEK… Ersatzkrankenkassen (ca. 26 Mio. Versicherte)

BKK… Betriebskrankenkassen (ca. 11 Mio. Versicherte)

IKK… Innungskrankenkassen (ca. 6 Mio. Versicherte)

Propaganda-Keule 5: „Kassenfusionen und große Kassen verwalten viel teurer“

Dieses Argument ist sehr häufig verbreitet in Österreich, aber leider völlig falsch. Seit 2000 hat sich die Zahl der deutschen Krankenkassen von 420 auf 118 reduziert, die durchschnittliche Größe der Kassen ist gleichzeitig von 170.000 Versicherten auf 600.000 Versicherte angestiegen. Und was ist passiert, die Verwaltungskostenquote ist von 6,2% auf 5,6% gefallen (siehe Abb. 6). Die Verwaltungskostenquote wäre sogar noch stärker gefallen, wenn nicht Kassen mit der steigender Größe zusätzliche Aufgaben übernommen hätten. Größere Kassen beschäftigen sich nämlich zunehmend mit Versorgungsforschung, unterhalten eigene Forschungsinstitute (z.B.: AOK-WIDO LINK oder TK-WINEG LINK) oder beschäftigen sich mit Behandlungsqualität, neuen Versorgungsformen und der Veröffentlichung von KH-Qualitätsindikatoren. Alles Aufgaben, die von öst. Kassen nur stiefmütterlich behandelt werden.

Abb. 6: Zahl der Krankenkassen und Verwaltungsquote

Abschließend:

Ich hab einiges gelernt in meiner Zeit im deutschen Krankenkassensystem, ich kann nur jeden empfehlen es mir nachzumachen. Es ist für mich immer etwas befremdlich, wenn die öst. Selbstverwaltung über das deutsche System herzieht. Darum war es mir ein Anliegen das innovative, deutsche Krankenkassensystem mit zu Zahlen zu verteidigen. Meiner Meinung nach hat der durchschnittliche Selbstverwaltungs-Funktionär extreme Angst vor Veränderung und Arbeit. Deshalb will er lieber ein sozial ungerechtes System, wo es keinen Riskoausgleich zwischen Risikogruppen gibt (verfassungsrechtlich ungersagt!), beibehalten haben, anstatt etwas zu tun. Und da er in seiner Untätigkeit nicht gerstört werden will, beginnt er halt lieber gegen andere Systeme Fehlinformationen zu verbreiten, anstatt das eigene System zu verbessern. Ich kann Hans Rauscher’s (Standard) Kritik an den doppelmoralischen Selbstverwaltungs-Funtkionären nur bestätigen (LINK). Der durchschnittliche Selbstverwaltungs-Funktionär fordert nur von anderen Verteiliungsgerechtigkeit. Im eigenen öffentlichen Bereich ist sein Engagement dafür aber nur unter-unter-unterdurchschnittlich existent…

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LSE-SV-Effizienz-Studie

Die LSE-SV-Effizienz-Studie (LINK) ist  sehr teuer (630.000 Euro), aber OK. OK, wie die WKÖ-SV-Studie (LINK) und die IHS/IV-SV-Studie (LINK), die aber deutlich günstiger waren. Alle 3 Studien wären eine gute Grundlage für die Weiterentwicklung der öst. Sozialversicherung. Die Betonung liegt auf “wären”. Es ist nämlich in Österreich unter den gegebenen politischen Umständen (Würgegriff der reformophoben Kammern und SPÖVP) absolut sinnlos  über die Weiterentwicklung des Krankenkassensystems zu diskutieren, weil nix Brauchbares dabei raus, außer das Abstecken der eigenen Territorien. Speziell die Schlüsse, die die “Sozialbastler” und ihr Sozialminister Stöger  heute aus der Studie gezogen haben, sind sehr selektiv.  Im Grunde genommen ist genau das passiert, was bereits bei der Gesundheitsreform 2013 passiert ist. Damals wurden vom IHS in einer umfassenden Studie (LINK) fünf Reform-Vorschläge zur Schaffung „Finanzierung aus einer Hand“ und ein politisch vorgegebener Vorschlag zur „Finanzierung aus ZWEI Händen“ (dem partnerschaftlichen Modell) gemacht. Entschieden hat man sich natürlich für den letzten Vorschlag, wodurch sich für die Sozialbastler und Landeshauptleute nix änderte. Genauso jetzt. Die LSE hat drei ernsthafte Vorschläge zur Neugestaltung der SV (z.B.: Zusammenlegung von KV, UV u. PV) und einen politisch vorgegebenen Vorschlag gemacht. Im politisch vorgegebenen Vorschlag bleibt alles gleich und die Kassen sollen einfach nur bissal mehr kooperieren (partnerschaftliches Modell). Stöger war natürlich gleich der größte Fan vom partnerschaftlichen Modell, wo sich nichts ändert, weil Veränderung für die Sozialbastler schlecht ist. Tja, die SV, die veränderungsunwillige Konstante in einer sich weiterentwickelnden Welt. Keine Spur davon, dass die Menschen im Vordergrund stehen sollen. Es geht wie immer um die Posten und Pöstlchen…

„Key Findings“ der LSE-Studie

Wurscht, vergessen wir mal was der völlig überforderte Sozialminister heute präsentiert hat, er wird ohnehin hoffentlich schon im Herbst Geschichte sein. Nehmen wir die Studie mal so hin wie sie ist, auch wenn sich die „London School of Economics“ von den Sozialbastlern die falsche 2,8% Verwaltungskosten-Quote, in der Gebäudeabschreibungen, IT-Auslagerungen, ELGA, Verbandsbeiträge,… fehlen, aufschwazen hat lassen. Was den Forschen der LSE wichtig war („Key Findings“), steht im Pressekonferenz-Foliensatz auf Folie 4. (LINK)

Haupt-Erkenntnis 1 ist, dass das österreichische Gesundheitssystem super ist. Ok, soll so sein, für 630.000 Euro kann man das öst. Gesundheitssystem schon mal bissal loben. Bussi, bussi.

Worauf es aber ankommt, sind Punkt 2 und Punkt 3

Haupt-Erkenntnis 2 behandelt die zersplitterte Verantwortlichkeit im Gesundheitssystem (Dualität: Kassen und Länder) und suggeriert die „Finanzierung aus einer Hand“. Das wissen wir eigentlich schon längst, es gibt ja auch die oben erwähnte IHS-Studie, die sich einschlägig damit beschäftigt. Das muss eigentlich nur noch umgesetzt werden. Biach, mach was.

Auch nicht neu, aber oft nicht beachtet, ist Haupt-Erkenntnis 3, nämlich dass ein umfassender Risikostrukturausgleich fehlt. Die LSE hat diesbezüglich vernichtend festgestellt:

“Die derzeitige Finanzierungslandschaft birgt Schieflagen zwischen den einzelnen Versichertengruppen und den SteuerzahlerInnen insgesamt. Es gibt nur einen unzureichenden Risikostrukturausgleich. Die Gebietskrankenkassen schultern besondere Risiken der Versichertenstruktur (z.B. Arbeitslose, Mindestsicherungsbezieher, Asylwerber usw.), die andere Träger nicht zu tragen haben.”

Die Feststellung ist ein Armutszeugnis für das ö. Kassensystem – siehe Grafik unten. Ich persönlich, als Mensch mit 4 Jahren Erfahrung im deutschen Kassensystem, speziell im RSA-Bereich, kann diese Feststellung nur bestätigen. Es gibt im ö. Kassensystem keine finanzielle Startgerechtigkeit, wie sie in den wettbewerbsorientierten Kassensystemen Deutschland, Holland und Schweiz selbstverständlich ist und auch für den fairen Kassenwettbewerb Grundvoraussetzung ist. Das muss man auch mal sagen, für die Sozialbastler ist ja nicht nur der Kassenwettbewerb böse, sondern auch die faire finanzielle Grundausstattung der Krankenkassen! Aber das sind unsere Sozialbastler, bei jeder Gelegenheit von anderen Verteilungsgerechtigkeit einfordern, aber wenn es darum geht, im eigenen Wirkungsbereich für faire Verhältnisse zu sorgen, da ist man dann nicht mehr so laut (LINK).

Leistungsharmonisierung kann ohne Risikostrukturausgleich nicht funken

Und weil Sozialminister und Hauptverbandschef heute auch die Leistungsharmonisierung betont haben. Ohne umfassenden und funtkionierenden Risikostrukturausgleich braucht man über die Harmonisierung der Arzthonorare und der Kassen-Versichertenleistungen gar nicht erst weiterzureden, weil sich die ärmeren Kassen (GKKn) die Harmonisierung systembedingt systematisch nicht leisten können (siehe Grafik oben). Da  können sich der Sozialminister und der Hauptverbandschef noch so sehr für die Harmonisierung der Leistungen einsetzen, ohne finanzielle Startgerechtigkeit funkt ihr Vorhaben nicht. Würde man endlich einen umfassenden Risikostrukturausgleich einführen, hätte man somit viele Probleme auf einmal grundlegend gelöst. Denn die finanzielle Schieflage der Kassen zieht sich in viele Bereiche durch, wie ein Folgefehler.

Sollte sich die Regierung doch irgendwann für einen umfassenden Risikostrukturausgleich entscheiden, hat die LSE-Studie die rechtlichen Voraussetzungen im juristischen Teil geliefert (Harmonisierung des Beitragsrechts).

Persönliche Schlussfolgerungen

So unrealistisch größere Änderungen in Österreich sind, der Studie nach, müssen die Sozialbastler zunächst das Beitragsrecht ändern, im Grunde nur noch ein SVG (statt ASVG, BSVG, GSVG,…), danach einen Risikostrukturausgleich etablieren, der sämtliche Kassen umfasst. Soweit die Studie. Anreiztechnisch am besten in Kombination mit der Finanzierung aus einer Hand, der Abschaffung der Mehrfachversicherung und der Schaffung eines einheitlichen Leistungskatalogs. Um die Kassenvielfalt durch den einheitlichen Leistungskatalog nicht überflüssig zu machen, bräuchte es noch kassenindividuelle Zusatzleistungen, die über einen Zusatzbeitrag finanziert wären. Das reicht dann von der günstigen Discount-Kasse bis zu teuren Qualitäts-Kasse. Ja, und natürlich die Wahlfreiheit zwischen Selbstbehalt- und Vollversicherungs-Modellen. Wenn wir zumindest das schaffen, sind wir schon dort, wo Deutschland bereits 1994/1995 war. Zwar immer noch kein Kassenwettbewerb, aber ein System mit effizienten und fairen finanziellen Grundvoraussetzungen (der Kassenwettbewerb wurde erst 1996 eingeführt).

Abschließend: Was Kassenfusionen betrifft, ich halte nichts von der Einheitskasse oder zu wenig Kassen. Kassenwettbewerb wäre am besten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Einheitskasse oder zu wenig Kassen positiv auf die Gesundheitsinnovation und Patientenzufriedenheit auswirken würden. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich auch, dass es im deutschen Wettbewerbskassensystem attraktiver zu arbeiten ist als im beamtenhaften öst. System. Man kann aber sehr wohl über die Tiefe der Kassen (z.B.: KV+UV unter einem Dach) diskutieren, wie es in der LSE Studie getan wird.

Der despektierliche Begriff „Sozialbastler“ stammt übrigens von Wolfgang Schüssel, der es zumindest unter Schwarz-Blau geschafft hat, dass sich die Versichertenstruktur-bedingt reiche Beamtenversicherung am Ausgleichsfonds der benachteiligten GKKn beteiligen hat müssen. Bis der VfGH die Regelung gekippt hat…

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Ist die Zahlungsmoral der Unternehmen gegenüber der SV wirklich so schlecht, wie SPÖ-Spindelberger behauptet? Nein!

Ist die Zahlungsmoral der Unternehmen gegenüber der SV wirklich so schlecht, wie SPÖ-Spindelberger behauptet? Nein!

Ein Karl Lauterbach (SPD-Gesundheitssprecher) wird er wohl keiner mehr werden, aber er könnte sich zumindest etwas bemühen. Gemeint ist wieder mal Erwin Spindelberger, offiziell parlamentarischer Gesundheitssprecher der SPÖ, aber eigentlich Vollblut-Lobbyist der Arbeiterkammer. Und seine Presseaussendungen beweisen immer wieder, dass Kammer-Lobbyisten mit parlamentarischen Anstellungen unvereinbar sind. Alfred Gusenbauer hat dereinst versucht die Kämmerer aus dem Parlament zu drängen, ist aber leider dabei gescheitert. Ich habe mich hier schon einmal mit einer Spindelberger-Presseaussendung auseinandergesetzt. Damals hat er das deutsche Wettbewerbs-Krankenkassensystem ziemlich dilettantisch schlecht geredet. Mein Schluss damals: „Die Aussendung ist im Grunde eine Mischung aus sehr viel Halb-Wissen, Nicht-Wissen und bewusster Fehlinformation.“ (LINK)

Spindelberger: was er sagt und was er nicht sagt

Dieses mal müssen die Unternehmen herhalten, denen Spindelberger „fahrlässige Zahlungsmoral“ vorwirft (LINK). Zum Ausrasten bringt Erwin Spindelberger, dass 2016 bei den GKKn 844 Mio. Euro Beitragsrückstände zu verzeichnen waren, bei insgesamt 39,4 Mrd. Euro Beitragsforderungen! Rückstände heißt aber nicht, dass die Beiträge nicht bezahlt werden, sondern großteils einfach nur verspätet. Und auf das kommt es an. Denn von den 844 Mio. Euro Beitrags-Rückständen mussten von den GKKn lediglich 130 Mio. Euro als uneinbringlich abgeschrieben werden (Insolvenzen). Der Hauptverband hat diesbezüglich eine Abschreibungsquote von 0,3% berechnet (LINK). Eigentlich lächerlich gering. Soweit hat aber Spindelberger die Anfragebeantwortung seiner Anfrage nicht mehr gelesen, oder bewusst überlesen… Sorry, 0,3% Abschreibungsquote ist alles andere als „fahrlässige Zahlungsmoral“. Es gehört schon sehr viel AK-Verblendung dazu, fast 400.000 KMUs völlig unbegründet “fahrlässige Zahlungsmoral” vorzuwerfen.

Ironie: Eigentlich ist die öffentliche Zahlungsmoral am schlechtesten

In diesem Zusammenhang ist auch die Zahlungsmoralstatistik sehr erwähnenswert. Wenn man nämlich jemanden “fahrlässige Zahlungsmoral” vorwirft, dann bitte zuerst der öffentlichen Hand (Bund, Länder, Gemeinden, SV). So braucht nämlich ironischerweise die öffentliche Hand im Schnitt  am längsten um ihre Rechnungen zu begleichen – 41 Tage – während Unternehmen im Schnitt schon nach 31 Tagen zahlen. Erwin Spindelberger sollte sich also zunächst mal selbst an der Nase nehmen und könnte sich danach einmal mit der Frage beschäftigen, wie viele private KMUs in Konkurs getrieben werden, weil die öffentliche Hand nicht rechtzeitig zahlt, und wie viele SV-Beiträge der SV dadurch entgehen…

It’s the Privatwirtschaft, stupid!

Abschließend ist zu sagen, dass die überwiegende Mehrheit der 400.000 Unternehmen ihre Beiträge rechtzeitig zahlt. Nur wie es in der Privatwirtschaft hald so ist, geht jährlich einige Unternehmen in Konkurs (ca. 5000), weshalb ein gewisser Teil der SV-Beiträge naturgemäß uneinbringlich ist. Private Unternehmen werden eben nicht durch den Bund mittels „Strukturfonds“ gerettet, wie einst die GKKn. Deswegen den etwa 400.000 gesunden und beitragszahlenden Unternehmen (99% KMUs) eine „fahrlässige Zahlungsmoral“ vorzuwerfen, ist nicht gerade verhältnismäßig und eigentlich ziemlich dumm. Das ist so wie der Lehrer, der den anwesenden Schülern vorwirft, dass einige fehlen.

Insgesamt hat Erwin Spindelberger leider wieder mal bewiesen, dass er im Nationalrat mit Abstand der schwächste Gesundheitssprecher ist, wenn man den Arbeiterkammer-Lobbyisten überhaupt als so einen bezeichnen kann. Schade für die SPÖ. Dort sollte man sich vielleicht langsam überlegen, endlich einen besser qualifizierten Gesundheitssprecher zu finden, es gibt sicher einige in der SPÖ. Denn durch konstruktive Vorschläge zur Weiterentwicklung des Gesundheitssystems im Allgmeinen oder des Krankenkassensystems im Speziellen fällt Spindelberger eigentlich nie auf…

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Der ö. Kassenfinanzausgleich: Teil 1: GKK-Ausgleichsfonds

Der ö. Kassenfinanzausgleich: Teil 1: GKK-Ausgleichsfonds

Inhalt:

  1. Wieso braucht es einen Kassenfinanzausgleich
  2. Ziel des GKK-Ausgleichsfonds
  3. Ideologische Einordnung
  4. Ziel, hinsichtlich Versorgungsstrukturen: Steuern oder abbilden?
  5. Wer ist für den Ausgleichsfonds verantwortlich
  6. Finanzierung des Ausgleichsfonds
  7. Mittelverteilung des Ausgleichsfonds
  8. Kritik am Ausgleichsfonds

1) Wieso braucht es einen Kassenfinanzausgleich

Es geht um die bedarfsgerechte Finanzmittelausstattung der einzelnen Krankenkassen, sprich: faire Startvoraussetzungen. Und diese bedarfsgerechte Finanzmittelaustattung ist im Ausgangszustand aufgrund von unterschiedlichen Versichertenstrukturen der Kassen (Unterschied bei Einkommen, Alter, Sozioökonomie…) nicht gegeben. Um die Strukturunterschiede auszugleichen, gibt es in modernen Krankenkassensystemen umfassendene Kassenfinanzausgleiche (z.B.: Deutschland, Niederlande, Schweiz), besser bekannt unter dem Begriff “Risikostrukturausgleich”. In Österreich hat man diesbezüglich innerhalb des GKK-Systems den „Ausgleichsfonds der Gebietskrankenkassen“ (§447a ASVG LINK) geschaffen. Die restlichen Krankenkassen bekommen ihre Strukturnachteile über die sogenannten „Hebesätze“ von der Pensionsversicherung vergütet.

Gäbe es nun keinen solchen Kassenfinanzausgleich, wären „ältere“ Kassen chronisch unterfinanziert und in der Folge ihre Versicherten unterversorgt. In Ländern mit freier Kassenwahl sind solche Kassenfinanzausgleiche aus einem weiteren Grund unabdingbar, ohne sie wäre nämlich kein fairer und funktionierender Kassenwettbewerb möglich. Andernfalls würde es zu Risikoselektion von Versicherten kommen, sprich: Versicherte mit einem hohen Kostenrisiko (ältere oder morbidere Menschen) hätten es schwerer Versicherungsschutz zu finden.

In den weiteren Zeilen wird nun auf den „Ausgleichsfonds der Gebietskrankenkassen“ etwas näher eingegangen, da seine Funktionsweise in Verordnungen (LINK) relativ gut nachvollziehbar ist. Die Berechnungswege der „Hebesätze“ der Nicht-GKKn können leider hier nicht dargestellt werden, weil nicht einmal das Gesundheitsministerium (BMG) und das Sozialministerium (BMASK) darüber Bescheid wissen, wie sie von der Sozialversicherung berechnet werden (siehe Loacker-NR-Anfragen  LINK, LINK, LINK). Die Passitivität des BMG, bezüglich Weiterentwicklung des Kassenfinanzausgleichs, wurde übrigens zuletzt vom Rechnungshof kritisiert (LINK RH 2016/3   38.4 (1)).

2) Ziel des GKK-Ausgleichsfonds

Laut §447a (1) sollen die Mittel aus dem Ausgleichsfonds grundsätzlich so auf die einzelnen GKKn verteilt werden, dass die GKKn ausreichend mit Liquidität versorgt sind. Die Rechtslage lässt somit Verteilmodalitäten zu, die über den Ausgleich von strukturellen Unterschieden hinausgehen. International ist es allerdings üblich, dass Kassenfinanzausgleiche lediglich Strukturunterschiede kompensieren, die von Kassen unbeeinflussbar sind (Einkommen, Alter, Sozioökonomie,…). Die Ausgleichsfonds-Verordnung ermöglicht hingegen auch einen Ausgleich von Strukturunterschieden, die von Kassen beeinflussbar sind (angebotsseitige Regionalität), und einen nachgelagerten Ausgleich von Verlusten (Liquiditätsausgleich). Die sehr großzügige Rechtslage verleitet damit eher zu Ineffizienzen, wie der RH bereits festgestellt hat (siehe Bericht 3/2016 LINK). Aber zumindest wird unter §447a (12) ein Klagsgrund gegen Ineffizienzen, die von Kassen selbst herbeigeführt wurden, angeboten.

3) Ideologische Einordnung

Ideologisch ist der Ausgleichsfonds durch den Mix von Strukturausgleichen (Einkommen, Alter, Geschlecht, Hochkosten => Startgerechtigkeit) und Ist-Kosten-Ausgleichen (Regionalausgleich, Liquiditätsausgleich => Bedürfnisgerechtigkeit) nicht eindeutig einordenbar. Moderne Ausgleichssysteme (Deutschland, Schweiz, Niederlande) verfolgen hingegen eindeutig liberale Überlegungen. Nämlich das Schaffen von gleichen Startvoraussetzungen, mittels Ausgleich von nicht beeinflussbaren Strukturen im Vorhinein. Danach ist jede Kasse auf sich selbst gestellt und muss zur Finanzierung von etwaigen Defiziten oder von Versorgungsangeboten über die Grundleistungen hinaus Zusatzbeiträge von den eigenen Versicherten verlangen. Im ö. Ausgleichsfonds konterkarieren hingegen der regionale Ist-Kosten-Ausgleich und der nachgelagerte Liquiditätsausgleich den vorhergehenden Strukturausgleich.

Schlussendlich zielt der Ausgleichsfonds eher auf Bedürfnisgerechtigkeit ab. Damit sind zwar die Kassen immer ausreichend mit Liquidität versorgt, der Effizienzgedanke leidet unter der “Vergemeinschaftung” von Verlusten einer GKK auf alle GKKn aber enorm. Eine Abänderung, die auf mehr Eigenverantwortung und somit mehr Effizienz abzielt, ist aber leicht umsetzbar, wenn man diesbezüglich die Empfehlungen des RH ernst nimmt. Also Neugestaltung des Regionalausgleichs (weg vom reinen Ist-Kosten-Ausgleich) und Aufhebung des Liquiditätsausgleichs.

4) Ziel, hinsichtlich Versorgungsstrukturen: Steuern oder abbilden?

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob ein Risikostrukturausgleich (a) Versorgungsstrukturen beeinflussen/steuern soll oder ob er lediglich (b) bestehende Versorgungsstrukturen abbilden soll.

Für Österreich ergibt sich aus der expliziten Absicht, dass „der Ausgleichsfonds für ausreichende Liquidität bei den Kassen sorgen soll“,  eindeutig die Zielsetzung (b), also bestehende Strukturen abzubilden. Oder direkter ausgedrückt, der Ausgleichsfonds soll bestehende Strukturen verfestigen. Konkrekt regelt der Ausgleichsfonds die Abbildung der bestehenden Versorgungsstrukturen über den Regionalausgleich (RStruktAusgl 2006 Berechnungsregeln, §4 u. §5, LINK), der als voller regionaler Ist-Kosten-Ausgleich konzipiert ist. Aber auch der Liquiditätsausgleich sorgt für eine Strukturverfestigung, da er mehr oder weniger im Nachhinein strukturelle Verluste abdeckt. Und weil die GKKn direkten Einfluss auf das regionale Angebot haben (Stellenplanung), ist der Ausgleichsfonds in der aktuellen Ausgestaltung eigentlich sogar ein Verstärker von regionalen Unterschieden. Er belohnt den Aufbau von Versorgungsstrukuren und bedstraft den Abbau.

Anders die Zielsetzung im deutschen Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA). Dort soll der RSA eindeutig eine steuerende Wirkung haben (Zielsetzung a), weshalb absichtlich ein Regionalausgleich ausgeschlossen wurde, um die Kassen dazu zu bewegen, die Versorgungsstrukturen anzugleichen.

Natürlich können die dt. Kassen ihre Versorgungsangebote trotzdem über den Schnitt anheben, müssen diese aber selbst über Zusatzbeiträge finanzieren. Der Ausgleichsfonds ermöglicht hingegen den ö. GKKn eine Erweiterung der eigenen Versorgungsstrukturen auf Kosten der anderen  GKKn (z.B.: Wiener Gebietskrankenkasse).

5) Wer ist für den Ausgleichsfonds verantwortlich

Das Finanzvolumen des Ausgleichsfonds wird als Sondervermögen des Hauptverbands geführt, der für die Koordination des Ausgleichsfonds-Weiterentwicklung veranwortlich ist. Das Verhandlungsergebnis muss dann von 2/3 der GKKn eine Zustimmung erhalten. Das Gesundheitsministerium greift in die Ausgleichsregelungen aber praktisch nicht ein, was der RH zuletzt kritisierte. In Deutschland wird hingegen der Risikostrukturausgleich vom Bundesversicherungsamt (BVA, LINK) verwaltet und jährlich abgeändert. Das BVA ist jedoch nicht, wie der Hauptverband, Teil der Selbstverwaltung, sondern eine Behörde des dt. Gesundheitsministeriums.

6) Finanzierung des Ausgleichsfonds

Finanziert wird der Ausgleichsfonds größtenteils durch die GKKn selbst, die 1,64% ihrer Beitragseinnahmen in den Ausgleichsfonds einzahlen müssen – 2015: 168 Mio. Euro. Aber auch die Bundeszuschüsse (§1a GSBG) sind mit 92 Mio. Euro nicht unerheblich. Durch einige weitere kleine Positionen ist das Finanzvolumen des Ausgleichsfonds für 2015 schlussendlich auf ca. 300 Mio. Euro angewachsen (siehe Handbuch der SV, Seite 64, LINK).

Tab. 1: Finanzierung des Ausgleichsfonds

7) Mittelverteilung des Ausgleichsfonds

Die Ausgleichsfondsmittel werden im Anschluss über drei Ausgleichsmechanismen and die 9 GKKn verteilt, nämlich über den „Ausgleich für unterschiedliche Strukturen“, den „Ausgleich für unterschiedliche Liquidität“ und den „Ausgleich für besonderen Behandlungsbedarf“. Der Strukturausgleich nimmt dabei den höchsten Anteil ein, nämlich 57%. Es folgen der Liquiditätsausgleich (33%) und der „Ausgleich zur Deckung von besonderen Behandlungsbedarf“ (10%). Innerhalb des Strukturausgleichs, dem Herzstück des Ausgleichsfonds (Beschreibung LINK), gibt es noch weitere Teil-Ausgleiche.

 

8)      Kritik am Ausgleichsfonds

a)      Liquiditätsausgleich und negative RH-Kritik

Der Rechnungshof (Bericht 3/2016) kritisierte zuletzt das zu hohe Gewicht des Liquiditätsausgleichs, der Anreize für Ineffizienzen birgt und forderte eine rasche Reduktion dieses Ausgleichs. Außerdem berichtete der RH, dass durch hohe Gewichtung des Liquiditätsausgleichs dem Strukturausgleich die Mittel fehlen, um sämtliche Strukturnachteile der einzelnen Kassen abzudecken. Dennoch soll der Anteil des Liquiditätsausgleichs bis 2021 bei 33% konstant gehalten werden (siehe 4. u. 5. Strukturausgleichs-Abänderung LINK, LINK).

b)      Strukturausgleich und grundsätzlich positive RH-Kritik

Der Strukturausgleich wird vom Rechnungshof grundsätzlich positiv bewertet, allerdings kritisiert er den Regionalausgleich in seiner derzeitigen Ausgestaltung, also in Form eines reinen Ist-Kosten-Ausgleichs (Bericht 3/2016).

Diesbezüglich kann man ergänzen, dass sich der Strukturausgleich auf fünf weitere Unter-Strukturausgleiche (Einkommen, Alter-Geschlecht, Hochkosten-Versicherte, ambulante Regionalität, stationäre Regionalität) aufgeteilt ist. Der Strukturausgleich in dieser Form entspricht, was Einkommen, Alter, Geschlecht und Hochkosten betrifft, internationalen Standards. Nur der Ausgleich von regionalen Unerschieden in voller Höhe (Ist-Kosten-Ausgleich) ist aufgrund der starken Beeinflussbarkeit der GKKn auf das regionale Angebot (Stellenplanung) höchst fragwürdig. In modernen Ausgleichssystemen sind (teilweise) Ist-Kosten-Ausgleiche unüblich und nur bei Hochkostenfällen (NL: 90%-Regel) und in Ausnahmen (BRD: Übergangsregelung beim Krankengeld – 50%-Regel) im Einsatz.

c)       Kritik an der “2-K(l)assen-Medizin” – bevorzugte Kassen

Zuletzt sind die Eisenbahner-Kasse (VAEB) und die Beamten-Kasse (BVA) medial in Kritik geraten, da sie sich derzeit nicht am Ausgleichsfonds der benachteiligten GKKn beteiligen (LINK, LINK). Die BVA war ursprünglich kurze Zeit involviert, konnte den Ausgleichsfonds nach einer Entscheidung des VfGH aber wieder verlassen (LINK). Die kuriose Begründung, dass sich Kassen mit unterschiedlichen Versichertenstrukturen nicht an einem gemeinsamen Ausgleich beteiligen dürfen, zeigt auf, dass die Solidarität im ö. Gesundheitswesen (noch) begrenzt ist. In anderen Ländern, wie beispielsweise Deutschland, ist man schon weiter. Dort nehmen sämtliche Kassen an einem gemeinsamen Ausgleichssystem teil.

Sehr deutlich sieht man die Benachteiligung der GKKn anhand der Vermögenslage (siehe Abb. 1). Aktuell besitzt die BVA mit 0,7 Mio. Versicherten genau so viel Vermögen (800 Mio. Euro) wie das fast 10mal größere GKK-System (6 Mio. Versicherte). Gründe für die Vermögenschieflage gibt es einige. Unter anderem werden Arbeitslose oder Asylwerber fast ausschließlich bei den GKKn versichert, die dadurch auf geringere Beitragseinnahmen zurückgreifen müssen.

Etwas Kurioses zum Schluss: Laut Verfassung, darf sich die BVA aufgrund der unterschiedlichen Risikostrukturen zwischen GKKn und BVA zwar einerseits aus dem GKK-Ausgleichsfonds heraushalten. Die Verfassung lässt aber anderseits auch zu, dass arbeitslos gewordene Vertragsbedienstete automatisch aus der BVA in das GKK-System überführt werden (LINK), und das obowohl ja eigentlich das GKK-System eine andere Risikostruktur aufweist. Etwas widersprüchlich und aus moralischer Sicht mit einem Gschmäckle behaftet, aber aus juristischer Sicht sicherlich einwandfrei…

Abb. 1: Kassen-Reinvermögen 2014

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SV-Effizienz-Studie

SV-Effizienz-Studie, Überlegungen

Die Effizienz der österreichischen Sozialversicherung soll nun endlich (!) im Rahmen einer Studie überprüft werden. System-Evaluierungen sind ja in Österreich nicht nicht gerade häufig. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern… Beispiel: Allein in meinen 3 Jahren im dt. Kassensystem hat es hier unzählige RSA-Gutachten/Änderungen gegeben (jährliche RSA-Anpassungen LINK, Annualisierungs-Urteil, Auslandsversicherten-Urteil, Krankengeld-Urteil, 1 Regionalisierungs-Gutachten, 3 Krankengeld-Gutachten, 1 Auslsandsversicherten-Gutachten, 1 Härtefall-Gutachten, 1 Krankheitsauswahl-Gutachten,…). Nicht zu vergessen die große RSA-Evaluierung 2011 (LINK; die nächste kommt 2017). Wie auch immer, Österreich hald, zumindest der Name des Studien-Auftragsnehmers, „London School of Economics“ (LSE), und die Höhe des Studienbudgets, satte 630.000 Euro, klingen vielversprechend (LINK).

Grundsätzliches

Da die Effizienz-Studie von der Sozialversicherung/Regierung selbst in Auftrag gegeben wurde, kann man von vornherein ausschließen, dass die Studie einen groß angelegten Systemwechsel empfehlen wird. Ohnehin hat das IHS bereits in seiner umfassenden Studie zur „Finanzierung aus einer Hand“ (LINK) aus dem Jahr 2009 festgestellt, dass sich Entwicklungen in Gesundheitssystemen in der Regel entlang von Pfaden bewegen. Pfadsprünge sind eher selten. Und Österreich kennend, werden wir da wohl kaum die große Ausnahme sein.

Weiterhin Selbstverwaltung und Kassen

Also wir können davon ausgehen, dass die Studie bei ihren Vorschlägen an der Selbstverwaltung und somit den Kassen festhalten wird. Daran gibt’s eigentlich aber auch nichts auszusetzen, schließlich gibt’s in Europa eine Reihe von Kassensystemen (Holland (+), Deutschland (+/-), Schweiz (+/-)), die aufzeigen, wie man das österreichische Kassensystem verbessern könnte. Und wenn die Effizienz-Studie zumindest auf eines der verwiesenen Kassensysteme hinsuggerieren wird, kann man sich durchaus gute Reformvorschläge davon erwarten.

Mindeststandards in modernen europäischen Kassensystemen

Wenn man sich die interessanteren Kassenländer aus der näheren Umgebung (Holland, Schweiz, Deutschland) ansieht, haben sie eines gemeinsam. Die „Finanzierung aus einer Hand“ (ambulant + stationär), die freie Kassenwahl für die Versicherten, umfassende Kassenfinanzausgleichssysteme, sowie einheitliche Leistungskataloge, die bei Zusatzleistungen mit Zusatzbeiträgen verknüpft sind.  Diese Punkte müssten eigentlich das Mindestergebnis der Studie für Reformen sein, dann kann man damit ziemlich zufrieden sein.

Status Quo in Österreich und Umsetzung

(a)    Finanzierung aus einer Hand

Die „Finanzierung aus einer Hand“ ist in Österreich bis dato nicht verwirklicht. Eigentlich ein MUST. Allein schon aus ökonomischer Sicht würde damit ein wünschenswerter Druck auf die Kassen entstehen, mehr im günstigeren ambulanten Versorgungsbereich zu versorgen. Bekanntlich haben ja die Kassen aufgrund der pauschalierten stationären Abgeltung an die Spitäler (Länder) den Anreiz, möglichst stationär, und somit teuer behandeln zu lassen. Außerdem ist es ordnungspolitisch ungünstig, dass die Länder als Spitalerhalter gleichzeitig als Spitalfinanzier auftreten. In Bundesländern mit mehreren Spitalsträgern besteht zudem die Gefahr, dass die Länder ihre eigenen Träger bevorzugen. Beispielsweise unterlassen es die Länder bis dato scharfe KH-Abrechnungsprüfungen nach deutschem Vorbild zu etablieren. Ergo: Die Landesgesundheitsfonds (Spitalsfinanzierung) müssen raus aus der Landespolitik und in die Kassen integriert werden.

(b)    Freie Kassenwahl „light“

Die „freie Kassenwahl“ gibt es in Österreich ebenfalls nicht. Hier wäre allerdings bereits ein abgemilderter Übergang von der gegenwärtigen Pflichtversicherung auf die „Versicherungspflicht light“ eine wünschenswerte Weiterentwicklung. Zumindest sollte sich der Versicherte bei Vorliegen von mehreren Kassen-„Anknüpfungspunkten“ in unterschiedlichen Bundesländern (z.B.: Arbeitgeber in Wien u. Wohnsitz in NÖ) zwischen den jeweiligen GKKn entscheiden können. Zudem sollte man sich bei einer Mehrfachversicherung (z.B.: Angestellter mit zusätzlicher Selbständigkeit) für eine einzige Kasse entscheiden können. Wie gut aber die Chancen für eine beschränkte freie Kassenwahl oder zumindest das Ende der (für Versicherte oft mühsamen) Mehrfachversicherung stehen, ist sehr fraglich. Aus parlamentarischen Anfragen (FPÖ, NEOS) geht nämlich hervor, dass lediglich eine “Vereinfachung der Abwicklung von Mehrfachversicherungen” untersucht werden soll. Klingt wenig ambitioniert… (LINK, LINK)

(c)     Kassenfinanzausgleich (Risikostrukturausgleich)

Was den Kassenfinanzausgleich betrifft, ist dieser in Österreich nur sehr unzureichend und lediglich unter den GKKn etabliert (“Ausgleichsfonds der Gebietskrankenkassen”). Insgesamt sind wir momentan fast 25 Jahre hinten. Das ähnlichste Kassensystem (Deutschland) hat bereits 1994 einen umfassenden Kassenfinanzausgleich für sämtliche Kassen eingeführt (Ausgleichsfaktoren 1994: Alter und Geschlecht; ab 2009: Ergänzung durch Morbidität). Das deutsche 94er-System (damals noch ohne Kassenwettbewerb!) ist eigentlich ein Standard den wir in den nächsten 5 Jahren erreichen sollten. EDV-technisch steht ja schon lange nichts mehr entgegen.

RSA, vertiefend: Für eine Verfeinerung des ö. Kassenfinanzausgleichs stehen folgende Ausgleichs-Merkmale zur Disposition. Regionalität (Schweiz – über regionale Zusatzbeiträge; Holland – über regionale Ausgleichsfaktoren), Sozioökonomie (Holland – über 10 Regionalcluster-Ausgleichsfaktoren, die mittels sozioökonomischen Faktoren aus den PLZs geclustert werden) und Morbidität (Deutschland – mittels 80 ausgewählten Krankheiten, die anhand von ambulanten/stationären ICDs ermittelt werden; Holland – Krankheiten die mittels ausgewählten stationären ICDs und Arzneimittel-Verordnungen erzeugt werden).

RSA, wichtig: ein umfassender, gut ausgestalteter Kassenfinanzausgleich ist auch ohne Kassenwettbewerb notwendig. Nur so können die Kassen mit einer bedarfsgerechten Menge an Finanzmitteln auszustattet werden, wodurch bei gleichen Beitragssätzen vergleichbare Leistungskatalog-Niveaus ermöglicht werden können. Andernfalls sind Überversorgung und Unterversorgung je nach betrachteter Kasse weiterhin (!) möglich. In Österreich sind ja Versicherte von unterfinanzierten Kassen (noch) mit längeren Wartezeiten, ausgedünnten Leistungskatalogen und arztseitiger Risikoselektion konfrontiert.

RSA, Tipp: Dass man sich in der Studie ausgerechnet das komplexeste Kassenfinanzausgleichssystem, den deutschen Morbi-RSA, zur die Prüfung für Österreich hergenommen hat, ist ambitioniert (SV-Studien-Konzeptpapier: LINK). Ich hätte zumindest das einfachere Schweizer System oder das mittel-komplexe holländische System (Vorbild für den Morbi-RSA) miteinbezogen. Was den Morbi-RSA betrifft, ambulante ICDs ohne Arzneimittel-Validierung sollten in einem möglichen neuen öst. Kassenfinanzausgleich keinen Platz finden. Als RSA-Finanzcontroller im deutschen Kassensystem kriegt man nämlich derzeit medial sehr schön mit, wie Diagnosen-Manipulation im ambulanten Bereich auswuchern kann, LKF-Optimierung nichts dagegen. Vor allem die größeren Kassen (AOKn, Barmer GEK, Techniker KK) sind dick im Diagnose-Optimierungsgeschäft vertreten und derzeit mit massiven Betrugsvorwürfen konfrontiert (LINK, LINK).

Zusammenfassend

Es ist erfreulich, dass es endlich eine Studie zur Effizienz der SV geben wird. Systemevaluationen sind in andern Ländern viel regelmäßiger. Wenn man sich die interessanteren, europäischen Kassensysteme (Holland, Schweiz, Deutschland) ansieht, haben diese eines gemeinsam. Die „Finanzierung aus einer Hand“ (ambulant + stationär), die freie Kassenwahl für die Versicherten,  umfassende Kassenfinanzausgleichssysteme, sowie einheitliche Leistungskataloge, die bei Zusatzleistungen mit Zusatzbeiträgen verknüpft sind. Diese Eigenschaften müssen eigentlich das Mindestergebnis der Effizienz-Studie sein. Alles darüber ist Luxus.

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Es gibt keine Gesundheitsausgabengrenzen

Es gibt keine Gesundheitsausgabengrenzen

…zumindest keine, die wehtun. Die Ärztekammer macht trotzdem mobil gegen die vermeintlichen „Gesundheitsausgabengrenzen“ der 15a-Verinbarung zur „Zielsteuerung-Gesundheit“. Tja, man weiß nicht, soll man „lachen oder rean“.

Warum „rean“? Es gibt praktisch keine Ausgabengrenzen. In Wirklichkeit machen die “Reformpartner” (Bund/Länder/Kassen) weiter wie bisher, sie tun nämlich gar nichts, um die stark steigenden Gesundheitsausgaben zu dämpfen. Und das, obwohl in der 2013er-15a-Vereinbarung noch vielversprechend gestanden ist, dass ab der Zielsteuerungsperiode 2017-2021 das Gesundheitsausgabenwachstum ans nominale BIP gekoppelt werden soll. Das zulässige jährliche Ausgabenwachstum für 2017-2021 liegt aber aber laut neuer 15a-Vereinbarung mit 3,9%  deutlich über der vom BMF angenommenen wirtschaftlichen Entwicklung von 3,3% pro Jahr. Und das BMF nimmt das mittelfristige BIP-Wachstum ohnehin immer sehr optimistisch an. Der Hoffnungsträger Schelling ist somit umgefallen und Gesundheitsreform 2013 damit endgültig tot. Vor den Ausgabengrenzen muss sich die Ärztekammer also genau so viel fürchten, wie vorm Monster Loch Ness.

Warum „lachen“? Die hohen 3,9% als jährliche Ausgabensteigerungsgrenze stehen nämlich so nicht in der 15a-Vereinbarung. Dort liest man von durchschnittlich 3,4% (2017: 3,6%; 2021: 3,2%). Um auf die vermeintlich harte Ausgabenbeschränkung von 3,4% zu kommen, haben Bund/Länder/Kassen nämlich auf einen rechnerischen Trick zurückgegriffen. Sie haben als Absprungbasis die überhöhte 2016er-Ausgabengrenze aus der alten 15a-Vereinbarung herangezogen. Die stützte sich auf einem durchschnittlichen BIP-Wachstum von 3,6% zwischen 2012 und 2016, obwohl die Rate nun im besten Fall bei jährlich 2,7% liegen wird. Greift man jedoch seriöserweise für die Absprungbasis auf die tatsächlichen 2016er-Ausgaben (Voranschlag) zurück, ergibt sich allein schon für 2017 eine Ausgabensteigerungsgrenze von 6,1%, anstatt 3,6%. Die tat. Gesundheitsausgaben für 2016 sind in etwa 500 Mio. geringer als die überhöhte 2016er-Ausgabengrenze. Also ich wage mal zu behaupten, Kassen und Länder werden durch diese sogenannten “Ausgabengrenzen” stehend, wenn nicht sogar hüpfend und das Stelzen, hindurch marschieren. Dass die Ärztekammer nun aber den untätigen „Reformpartnern“ (Bund/Länder/Kassen) ihren eigenen genialen Trick nicht gönnt und mit dem Kaputtspar-Theater Druck auf die “Reformpartner” ausübt, hat echt Unterhaltungswert ;-) . Danke Ärztekammer!

Kurz noch zur BIP-Begrenzung der Gesundheitsausgaben. Die war eigentlich nur bis 2013 erfolgreich, also im dem Jahr wo die Begrenzung beschlossen wurde. 2016 wird es voraussichtlich ein Ausgabenwachstum von 4,6% geben, obwohl ursprünglich 3,6% angepeilt waren (siehe Abb. 1).

Alles in allem fehlt die inhaltliche Kritik an den “Ausgabengrenzen”. Man könnte zum Beispiel kritisieren, dass ein verstärktes “ambulant statt stationär”, das in Artikel 6 und 13 der 15a-Vereinabarung Zielsteuerung-Gesundheit gefordert wird, mit den aktuellen Ausgabengrenzen nicht möglich ist. Für die Kassen (ambulant) und Länder (stationär) sind nämlich die zulässigen Ausgabensteigerungen gleich hoch angesetzt. In der alten Zielsteuerungsperiode (2012-2016) wurden dem ambulanten Bereich hingegen noch höhere Ausgabensteigerungen zugestanden als den Spitälern.

Abb. 1: Kennzahlen

 

Abb. 2: Nom. BIP und Gesundheitsausgaben(-grenzen)

 

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„Maschinensteuer“ zu Sicherung der Sozialversicherung?

Eine alte/neue SPÖ-Idee („Maschinensteuer“) sieht die Ausweitung der Bemessungsgrundlage für Sozialabgaben, bei gleichzeitiger Senkung der SV-Beiträge (Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge) vor – im Sinne der Aufkommensneutralität (LINK, LINK). Der Vorschlag ist grundsätzlich diskutierbar und wenn es gelingt die Bemessungsgrundlage aus dem produzierenden Bereich raus in den nicht-produzierenden Bereich (z.B.: Vermietung, Verpachtung,…) zu erweitern sogar wirtschaftsfreundlich. Aktuell ist er das noch nicht, berücksichtigt für Gewinne/Kapitaleinkünfte keine Höchstbeitragsgrundlage und spielt zu sehr Arbeitnehmer gegen Unternehmer aus.

Eigentlich…

Was aber von der SPÖ unter dem Kampfbegriff „Maschinensteuer“ vorgeschlagen wurde, ist eigentlich keine „Maschinesteuer“, sondern eine zusätzliche Gewinnbesteuerung. So sollen neben der „Lohnsumme“ auch die „Gewinne nach Abschreibungen“ als Bemessungsrundlage für die Sozialabgaben herangezogen werden. Und da viele Maschinen auch höhere Abschreibungen bedeuten, stellt der SPÖ-Vorschlag  maschinenintensive Unternehmen eigentlich sogar besser als maschinenarme Unternehmen. So viel dazu.

Grundsätzlich…

Grundsätzlich ist die Ausweitung der SV-Bemessungsgrundlage eine Idee, die man weiterverfolgen kann. Die Ausweitung von Steuer- bzw. Beitrags-Bemessungsgrundlagen ist nämlich international sehr im Trend. Als Kompensation werden in der Regel Steuer- bzw. Beitragssätze gesenkt. Aufkommensneutralität. Also effektiv sollte sich bei den Steuer- bzw. Beitragseinnahmen nach den Änderungen nicht nach unten gehen. Im Gegenteil, in Österreich sind nach der KöSt-Senkung 2005 die KöSt-Einnahmen sogar weiter gestiegen (LINK) – Laffer lässt grüßen. Der Standort scheint durch die geringeren Sätze, trotz der Ausweitung der Bemessungsgrundlage, subjektiv attraktiver. Denn kaum jemand schaut auf die Bemessungsgrundlage, nur die Sätze sind entscheidend. Jeder hat schon mal einen Vergleich über internationale Steuersätze gesehen, die wenigsten über Bemessungsgrundlagen. Es interessiert einfach keinen. Bestes Beispiel, die SV-Höchstbeitragsgrundlage wurde 2016 um sportliche 5% erhöht, aber keiner hat sich aufgeregt. Aber man stelle sich vor, die SV-Beiträge würden um 5% angehoben.

Allerdings…

Was mir persönlich am SPÖ-Vorschlag allerdings nicht gefällt, ist, dass man bei Gewinnen bzw. Kapitaleinkünften keine SV-Höchstbeitragsgrundlage vorsieht (aktuell ca. 5000 Euro). Denn auch die Löhne werden nur maximal bis zu SV-Höchstbeitragsgrundlage mit SV-Beiträgen belastet. Was für Arbeitnehmer gilt, muss auch für Unternehmer und alle anderen gelten. Diesbezüglich muss die SPÖ noch etwas das alte Feindbild, den Unternehmer bzw. Kapitalgeber, ablegen. Auch die das eher links einzuordnende WIFO sieht das SPÖ-Konzept noch zu unternehmensfeindlich (LINK).

Stattdessen…

Stattdessen müsste man sich vor allem damit beschäftigen aktuell nicht-sozialversicherungspflichtige Einkünfte (z.B.: Pachten, Mieten) aus dem nicht-produzierenden Bereich in der Bemessungsgrundlage mitzuberücksichtigen. Die Einkommensumme der einzelnen Beitragszahler darf aber nicht über die Höchstbeitragsgrundlage hinaus belastet werden. Und je breiter die Beitragsgrundlage werden würde, desto deutlich müssten natürlich die Beitragssätze gesenkt werden. Insgesamt würde der Wirtschaftsstandort, Arbeitnehmer und Unternehmen, vor allem Export-Unternehmen, von der Beitrags-Reform profitieren.

Ob…

Ob der grundsätzlich diskutierbare SPÖ-Vorschlag noch weiterverfolgt wird, ist fraglich. An und für sich hat der Kampfbegriff „Maschinensteuer“ schon die ganze Idee abgewürgt. Vermutlich war der Vorschlag ohnehin nur wahltaktisch gemeint, um die Mitglieder für die baldige (Neu-)Wahl zu mobilisieren. Und da das schwarze Reichsviertel dem roten Reichsviertel in Sachen politischem Kleingeld nichts nachsteht, kann ich mir nicht vorstellen, dass sich ÖVP und SPÖ in dieser Angelegenheit nur irgendwie näher kommen. Auch wenn der Vorschlag mit ein paar Änderungen zu einem wirtschaftsfreundlichen und guten Kompromiss umgemünzt werden könnte.

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