Was steckt hinter dem BVA-Mythos: höhere Selbstbehalte, bessere Leistungen

Die Beamtenversicherung (BVA) bietet ihren Versicherten einen überdurchschnittlich guten Leistungskatalog. Die Gebietskrankenkassen können nicht mal annährend mithalten. Laut LSE-Studie, würde eine vollkommene Harmonisierung bis zu  1 Mrd. Euro kosten, jährlich! Die BVA argumentiert diesen Leistungsvorsprung mit den höheren Selbstbehalten. Das Argument stimmt aber nur sehr bedingt. Den versicherungsmathematischen Beweis ist man Seitens der BVA und des BMG zur Gänze schuldig geblieben – siehe Anfrage (LINK, Frage 2-4). Davon abgesehen kann das Selbstbehalte-Argument spätestens seit 2016 nicht mehr gelten, da die BVA damals die Selbstbehalte ohne Leistungskürzungen halbierte.

1) Was sagen die Zahlen?

Wenn man die Unterschiede bei den Pro-Kopf-Selbstbehalten (BVA 64 Euro mehr als GKK) und bei Pro-Kopf-Leistungsausgaben (BVA 351 Euro mehr als GKK) gegenrechnet, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass nur knapp 20% der besseren BVA-Leistungen durch höhere Selbstbehalte erklärt werden können. Der Rest der besseren BVA-Leistungen ist schlichtweg auf die höheren Einkommen der Beamten zurückzuführen, woraus natürlich  höhere  Beitragseinnahmen für die BVA resultieren. Zudem versichert die BVA keine beitragssachwachen Gruppen, wie Mindestsicherungsbezieher, Arbeitslose oder Asylwerber. Diese beitragsschwächeren Gruppen sind praktisch zur Gänze bei den GKKn untergebracht (LINK).

Alles in allem erklärt sich der bessere Leistungskatalog der BVA – in Geldwert 351 Euro je Versicherten – zu 4/5 durch die beitragsstärkere Versichertenklientel und nur zu 1/5 durch höhere Selbstbehalte – siehe Abb. 1.

Abb. 1: Selbstbehalte, Verwaltung, Ausgaben, Einnahmen

 

2) Warum gibt es die Leistungsunterschiede?

Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen. Das österreichische, berufsständische Kassensystem ist, verglichen zu anderen Kassensystemen (CH, D, NL), extrem ungerecht und unsolidarisch. Es fehlt ein umfassender Finanzkraftausgleich zwischen den Krankenkassen, der finanzielle Unterschiede/Nachteile ausgleicht, für die die Kassen nichts können (z.B.: Alter, Einkommen, Morbidität). Zudem können die Versicherten in modernen Kassensystemen ihre Krankenkasse frei wählen. Damit ist garantiert, dass jeder die Kasse bzw. bestmögliche Leistung erhält, die gewünscht wird.

3) Wo fließen die überschüssigen Beitragseinnahmen der BVA sonst noch hin?

Zurück zur BVA. Die höheren BVA-Beitragsnahmen fließen aber nicht ausschließlich in bessere Leistungskataloge.

So konnte es sich die BVA in letzten Jahren leisten, einen doppelt so teuren Verwaltungsapparat aufzubauen (2016: BVA: 114 Euro je Kopf; GKK 67 Euro). Bei den Verwaltungsausgaben je Kopf ist die Schere zwischen BVA und GKK seit 2010 sogar deutlich aufgegangen (siehe Abb. 2)

Aber trotz des Luxus-Leistungskatalogs und der teuren Verwaltung, schafft es die BVA in der Regel noch Überschüsse zu erzielen. Damit werden im beispielsweise Bautätigkeiten finanziert, die sich in den gestiegenen Abschreibungen für das Anlagevermögen widerspiegeln – siehe Abb. 3. Aber auch der Vermögensberg als Ganzes wächst. Zwar haben hier die GKKn in den letzten Jahren etwas aufgeholt, die BVA liegt jedoch mit 1022 Euro Reinvermögen je Kopf weiterhin deutlich vor den GKKn (165 Euro je Kopf) – siehe Abb. 4.

Abb. 2: Verwaltung je Versicherter

 

Abb. 3: AV-Abschreibungen je Versicherter

 

Abb. 4: Reinvermögen je Versicherter

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Fehlende FPÖ-Systemkenntnis: „Aufstieg und Niedergang einer Kassenreform“

Das die Kassenreform gescheitert ist, hab ich gestern schon gezeigt (LINK). Hier die Ursachenanalyse:

Was muss man wissen, wenn man das Kassensystem grundlegend reformieren will

Wer sich näher mit dem österreichischen Kassensystem beschäftigt, kennt die Unzulänglichkeiten des Systems. Aus finanzieller Sicht liegt eine extrem schiefe Vermögensverteilung vor. So hat die BVA pro Versicherten fast zehnmal so viel Vermögen wie die GKKn und das obwohl die GKKn deutlich effizienter sind. Das Problem ist, dass es zwar zwischen den GKKn einen Finanzkraftausgleich (RSA) gibt, der finanzielle Nachteile ausgleicht (Einkommensunterschiede, Altersunterschiede,…), die beitragsstärkeren Kassen (vor allem Beamte) beteiligen sich aber nicht daran. Folge: massive Leistungsunterschiede bei Krankenkassen.

Quelle: Kronenzeitung (LINK)

Daher hat die AUVA bis dato den untefinanzierten GKKn in dreistelliger Millionenhöhe unter die Arme gegriffen (quersubventioniert). Die AUVA ist nämlich derzeit aufgrund der seit Jahren zurückgehenden Arbeitsunfälle und der gleichzeitig ausbleibenen Beitragssenkungen überfinanziert.

=> Das sind die Grundkenntnisse, die man über die finanziellen Verflechtungen im SV-System haben muss. SPÖ und ÖVP wissen darüber Bescheid. Die FPÖ hat offensichtlich keine Ahnung davon.

Im folgenden eine kurze Skizze der SV-Strategien von SPÖ und ÖVP,  wie die ahnungslose FPÖ zwischen den beiden aufgerieben wurde und was die FPÖ tun hätte müssen, um unbeschadet aus der SV-Reform herauszugehen.

SPÖ-Strategie

Die SPÖ ist mit ihren AK-Funktionären stark in den unterfinanzierten GKKn vertreten. Sie hätte eigentlich seit Jahrzenten auf einen umfassenden Risikostrukturausgleich zwischen allen Kassen drängen müssen, um die GKK-Unterfinanzierung zu beenden. Sie hat es aber nie getan, was sich massiv auf die GKK-Leistungskataloge durchgeschlagen hat. Darum hat es bis dato auch keinen einzigen AK-Konsumentenschutztest zu Kassenleistungsunterschieden gegeben, weil sonst das jahrzehntelange Versagen der AK-Kassenfunktionäre aufgedeckt worden wäre.

Die SPÖ hat höchstwahrscheinlich deshalb auf keinen umfassenden Risikostrukturausgleich gedrängt, weil sie, wie die ÖVP, an Intransparenz des Kassensystems interessiert ist. Ihre Alternativvariante für die finanzielle Aufpäppelung der GKKn (mit gleichzeitiger Intransparenzgarantie) war deshalb die Integration der AUVA in die GKKn, was aus dem „roten“ Auftragspapier zur LSE-Studie hervorgeht (2016, David M., GPA, LINK). Die GKK-Unterfinanzierung wäre mit einem Schlag beendet gewesen und das System weiterhin nach Berufsgruppen getrennt. Und durch die Fragmentierung hätte man sich die altbekannte Argumentationslinie gegen unliebsame Vergleiche bewahrt: „Aber dafür gibt es bei uns weniger Selbstbehalte“ oder noch banaler „Sie wissen, das kann man so nicht vergleichen“.

Durchkreuzt wurde die SPÖ-Taktik durch die Neuwahlen und das Vorhaben der FPÖVP-Regierung, die AUVA aufzulösen oder zumindest die Beiträge zu senken. Damit war die üppige Quersubventionierung der GKKn Geschichte und SPÖ/AK/ÖGB haben sich ab diesem Zeitpunkt (Anfang 2018) nach einer 180°-Grad-Wende plötzlich klassenkämpferisch für den Erhalt der AUVA eingesetzt.

ÖVP-Strategie

Die ÖVP weiß grundsätzlich, dass die GKKn unterfinanziert sind, hat aber bei der Kassenreform auf Kosten der FPÖ riskiert. Ihr grundsätzliches Ziel: Lohnnebenkostensenkung (UV-Beiträge), daher entweder AUVA-Einsparungen in Höhe von 500 Mio. Euro oder Auflösung der AUVA (siehe Regierungsprogramm). Soweit ein vernünftiges Ziel, nur wollte die die ÖVP den „roten“ GKKn die Quersubventionierungen nicht mittels stärkerer Solidarität innerhalb des Krankenversicherungssystems ersetzten (Finanzkraftausgleich/Risikostrukturausgleich).

Die ÖVP war sich definitv darüber im Klaren, dass SPÖ/AK/ÖGB darauf heftig reagieren würden, ist aber das Risiko eingegangen, weil das Gesundheits-/Sozialministerium in blauer Hand liegt. Ein Scheitern würde also somit in erster Linie auf die FPÖ zurückfallen. Man kann also sagen, die ÖVP hat die FPÖ gewaltig auflaufen lassen! Aber gut, für das, dass die FPÖ wieder mal völlig ahnungslos ist, kann man der V-Partei nun wirklich keinen Vorwurf machen.

FPÖ-Blauäugigkeit

Es ist davon auszugehen, dass die FPÖ wirklich nicht den leisesten Hauch einer Ahnung hat, was in der Sozialversicherung abläuft, und wie deshalb strategisch vorzugehen ist. Sie wurde in einem Kampf zwischen Rot und Schwarz aufgerieben. Aber gut, für Ahnungslosigkeit gibt es kein Mitleid. Wer seit Jahrzehnten im Parlament vertreten ist und trotzdem nicht weiß, was rennt, ist selbst schuld.

Der strategische Fehler der FPÖ war schlussendlich, dass sie der ÖVP blind vertraut hat. Die FPÖ hätte zumindest auf einen Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen drängen müssen. Sie hätte somit SPÖ/AK/ÖGB und die GKKn nicht völlig auf die Barrikaden gebracht und sogar ihrer eigenen Wählerklientel geholfen, die ja mehrheitlich in den unterfinanzierten GKKn versichert ist…

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Ergebnisloses Reformchaos. Weiterhin keine echte Selbstverwaltung und keine glaubwürdige Versichertenvertretung.

Mehr als eine Organisationsreform sollte die Kassenreform nie sein. Aber immerhin und mehr als unter 11 Jahren Rotschwarz erreicht wurde. Bis zum spontanen Beschluss einer vorübergehenden, fehlanreizpräventiven Kassen-Ausgabenbremse im letzten Frühjahrsplenum hatte man auch den Eindruck, dass die Regierung weiß was sie tut. Bis dahin war das Beeindruckende, dass eine Regierung erstmals die Einwände der von Eigeninteressen getriebenen Kammerfunktionäre ignoriert hatte.

Dann aber, ab Ende August, hat die Regierung allgemein der Mut verlassen. Seither eiert sie herum und von der Organisationsreform ist nur noch ein unverständliches Irgendwas mit Umfärbungsbeigeschmack übrig geblieben. Jetzt kann einem ziemlich egal sein, dass die AK-Funktionäre aus der Selbstverwaltung auf 50:50-Parität zurückgedrängt werden, weil sie ohnehin nie wirklich eine glaubhafte Versichertenvertretung waren und sein werden. Oder kennt beispielsweise irgendwer einen AK-Konsumentenschutztest bezüglich Kassenleistungs-Unterschiede? Natürlich nicht, damit würde die AK das Versagen der eigenen Kassenfunktionäre offenkundig machen, speziell in den unterfinanzierten GKKn. Es ist somit völlig unverständlich, weshalb die Regierung zunächst (Frühjahr) wie ein Fuchs in den Hühnerstall hingefahren ist, alles aufgescheucht hat, dann (Herbst) aber ohne verrichteter Dinge wieder abgezogen ist und den Hühnern anschließend auch noch eine Bühne bietet. Was war das eigentlich, außer einem ergebnislosen Reformchaos?

Hier die Liste, was diese Reform alles leider nicht bringt:

  • Keine echte Selbstverwaltung und keine echte Versichertenvertretung (Sozialwahlen)
  • Keine Finanzierung aus einer Hand
  • Keinen Finanzkraftausgleich zwischen den Kassen (RSA) – Grundlage für Leistungsharmonisierung
  • Keine einheitlichen Leistungs-/Honorar-/Zuschusskataloge
  • Keine Integration der Unfallversicherung in die Krankenversicherung – ursprünglich auch von SPÖ/AK/ÖGB gefordert
  • Keine strukturierten/integrierten/hausarztzentrierten Versorgungsprogramme für die 25% teuersten Patienten – massives Einsparungspotential
  • Keine Vielfalt an ambulanten, gemeinschaftlichen Versorgungsformen
  • Kein Ende der Mehrfachversicherung
  • Keine freie Kassenwahl
  • Kein Benchmarkingsystem zwischen den Kassen oder ÖGK-Landesstellen
  • Keine gleichen Leistungen und gleiches Angebot bei gleichen Beiträgen
  • Keine signifikanten Einsparungen
  • Keine Strukturbereinigung
  • Keine einheitliche Beitragserhebung/-prüfung bei der Finanz
  • Keine Diagnosedokumentation im ambulanten Bereich
  • Keine Digitalisierungsoffensive

Also wenn man sich die Punkte ansieht, was alles nicht kommt, dann erkennt man das Ausmaß des Nichts dieser sogenannten „größten Gesundheitsreform der zweiten Republik“. Seitens der Ministern können auch keine Zahlen vorgelegt werden, wie man bis 2023 jährlich 200 Mio. Euro einsparen will.  Wie peinlich ist das bitte??

Grundsätzlich ist die Einsparung realistisch. Die SV-Verwaltungskosten machen offiziell 1,2 Mrd. Euro (KV: 479 Mio. Euro, PV: 623 Mio. Euro, UV: 126 Mio. Euro). Rechnet man die verschleierten Verwaltungskosten (Vertrauensärztlicher Dienst, Abschreibungen, sonstige betriebliche Aufwände) noch dazu, liegt man bei ca. 2 Mrd. Euro. Ca. 400  Mio. Euro fallen für die Beitragserhebung/-prüfung an. 200 Mio. Euro jährlich sollten da kein Problem sein. Nur es gibt hald kein Konzept, wie die Regierung kurzfristig dieses Sparpotential heben will, und bei der Verlagerung der Beitragserhebung/-prüfung zur Finanz ist die Regierung klassisch umgefallen.

Bildergebnis für wurstsemmelÜbrig bleibt eine Reform, die nichts bringt und entsprechend unnötig für Unruhe gesorgt hat. Die Versicherten haben davon genau gar nichts. Sie werden weiterhin schlecht vertreten und können ihre Versichertenvertreter nachwievor nicht selbst wählen. Die völlig befangene Arbeiterkammer, die sich gern als Versichertenvertreter ausgibt, wird weiterhin keine Konsumentenschutztests zu unterschiedlichen Kassenleistungen rausgeben, weil sie damit das Versagen ihrer eigenen Kassenfunktionäre unterstreichen würde. Stattdessen weiterhin unnötige Wurschtsemmeltests. Sprich: weiterhin keine echte Selbstverwaltung (Sozialwahlen) und Versichertenvertretung.

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Biach’sche Widersprüchlichkeiten zu Ausgabengrenzen

Es gibt seit 2013 (Zielsteuerung) eine allgemeine Ausgabengrenze für die Krankenkassen. Seit  2018 haben wire eine zusätzliche Ausgabengrenze, wonach die Honorare mit dem Beitragswachstum begrenzt werden.

Erstere Ausgabengrenze soll, laut 15a-Vereinbarung, die Ausgabensteigerungen bis 2021 auf 3,2% dämpfen (2018: 3,5%). Zweitere ermöglicht ein Honorarwachstum von über 4% – Beitragswachstum laut SV-Schätzungen.

Abb. 1: Zielsteuerungs-Ausgabengrenze

Jetzt erschließt sich mir leider nicht ganz, weshalb SV-Chef Biach am laufenden Band zweitere Ausgabengrenze (Honorarbremse) kritisiert (LINK), während er die erstere Ausgabengrenze (Zielsteuerungs-Ausgabengrenze) im Standard (LINK) lobt.

PS: 4% ist höher als 3,5% (bzw. 3,2%)

 

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AUVA-Reförmchen: die Regierung ist das erste mal in die Knie gegangen, eigentlich völlig unnötig – kein Mensch braucht die AUVA

Die Regierung ist bei der AUVA, der wohl größten Privilegien-Hochburg innerhalb Sozialversicherung, unnötigerweise in die Knie gegangen. Was überraschend ist, denn keine andere öffentliche Versicherungsanstalt ist in den letzten Jahren durch derartiges Funktionärsversagen (Römer, Silvan,…) aufgefallen. Zudem leben die AUVA und ihre Unfallkrankenhäuser in erster Linie von Behauptungen, die sie bis dato nicht belegt haben. Bestes Beispiel: ob die UKHs tatsächlich gute Qualität liefern, kann nur anhand einer objektiven Qualitätsmessung, wie A-IQI (LINK),  ermittelt werden. Aber daran nehmen die UKHs – aus welchen Gründen auch immer – nicht teil, im Gegensatz zu den Unfall- und Orthopädie-Abteilungen der Fondsspitäler.

Überdurchschnittliche Gehälter in den UKHs

Wenn die Gewerkschaften, die sich bis vor einem Jahr noch das Aus der Unfallversicherung vorstellen konnten, im Ö1-Abendjournal (13.08.2018) bei den Regierungsplänen zur AUVA von einer „Umverteilung von unten nach oben“ (Annahme: von AUVA zu Unternehmen) sprechen, dann ist das wohl an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten. Denn die SV-eigenen-Krankenhäuser (UKHs und Hanusch-KH) sind aufgrund ihrer Luxus-Kollektivverträge (Dienstordnung B) die Gehaltsparadiese in der öffentlichen Spitalslandschaft schlechthin – im Schnitt 20% mehr Gehalt als ihre Kollegen in den Fondsspitälern. Von diesen UKH-Supergagen kann der durchschnittliche Unternehmer, der von AUVA/ÖGB mit „oben“ gemeint war, sowieso nur träumen. Aber in die elitären Sphären der AUVA/ÖGB hat sich offensichtlich noch nicht durchgesprochen, dass nicht jeder Unternehmer ein multinationale Heuschrecke ist, wie beispielsweise der BAWAG-Käufer Cerbarus. Im Schnitt liegt das durchschnittliche, beitragspflichtige Einkommen von SVA-Versicherten gerade mal 15.000 Euro – pro Jahr, nicht pro Monat.

Abb. 1: Gehälter in Wiener KHs und UKHs

Keine Behandlungsqualitätsmessung in den UKHs

Aber wenn man im Umfeld der AUVA eines kann, dann Behauptungen aufstellen. Die AUVA-Bediensteten sind ja nicht nur die „Ärmsten der Ärmsten“, sondern in den UKHs ist auch die Behandlungsqualität so super – angeblich. Natürlich, bei entsprechend hohen Fallzahlen kann man in der Regel von besserer Behandlungsqualität ausgehen, ABER mit Zahlen belegt hat man das seitens der AUVA/UKHs bisher noch nicht. Zwar gibt seit 2013 eine bundesweite KH-Qualitätsmessung (A-IQI), daran nehmen aber nur die Fondspitäler teil. Ja wo kämen wir da hin, wenn sich die „elitären“ UKHs mit „stinknormalen“ Unfallstationen der Fondsspitäler, wie beispielsweise der des LKH Mistelbach, objektiv vergleichen müssten. Da frönt man sich lieber weiterhin dem Narzissmus, sprich: waun mia sogen, mia san guad, daun samma a guad!

Vier Bundesländer kommen ganz gut ohne UKHs aus

Überdurchschnittlich teures und sich selbstüberschätzendes Personal werden auch die Gründe dafür sein, weshalb sich die Budnesländer zuletzt nicht gerade um die UKHs gerissen haben. Solche Spitäler bringen in der Regel nur Probleme. In vier Bundesländern – Burgenland, NÖ, Tirol und Vorarlberg –  hat sich die Frage zu einer Übernahme von UKHs zumindest nie gestellt, dort kommt man bei der Unfallversorgung nämlich auch ganz gut ohne die selbsternannten Superkrankenhäuser aus.

Teure Verwaltung in der Unfallversicherung

Putzig war die Gewerkschaft im Abendjournal ja auch bei der AUVA-Verwaltung, denn hier sind Einsparungen  offensichtlich völlig unmöglich.  Soooo eiiiiin Blödsinn. Die Unfallversicherung ist nicht nur die mit Abstand teuerste Sparte in der Sozialversicherung, die UV ist auch die einzige Sparte, in der die Verwaltungsquote seit 2011 wieder kontinuierlich ansteigt (2011: 7,4%; 2016: 7,7%). Ein professioneller Sanierer hätte sicher eine riesen Freude, diesen aufgeblähten, monopolisitischen Verwaltungsapparat zurecht zu stutzen.

AUVA: 10mal so viel Reinvermögen wie gesetzlich vorgeschrieben

Dass die Gehälter in den UKHs so hoch sind und die Verwaltungsquote – gegen den allgemeinen Trend in der SV – wieder ansteigt, könnte auch daran liegen, dass in der AUVA mehr als zehnmal so viel Vermögen (1,1 Mrd. Euro Reinvermögen) konzentriert ist als gesetzlich vorgeschrieben (0,1 Mrd. Euro Leistungssicherungsrücklage). Der hohe Vermögensstand liegt am berufsbedingten Trend, dass Arbeitsunfälle seit Jahrzehnten zurückgehen, während die Beiträge nie gesenkt wurden. Hier hätte das AUVA-Management schon seit längerem von sich aus auf Beitragssenkungen hinwirken können. Aber stattdessen hat man offensichtlich lieber in eine aufgeblähte Verwaltung und Supergagen  „investiert“. Dass dieses Management nicht zu Gänze ausgetauscht wird, ist eigentlich überhaupt nicht nachvollziehbar und im Grunde genommen eine Verhöhnung der Beitragszahler.

Abb. 2: Rücklagen der AUVA 2016

Reformoptionen in der AUVA

Es ist echt ewig schade, dass die Regierung mit diesem AUVA-Privilegiensumpf nicht endgültig Schluss gemacht hat. Die Auflösung der AUVA hat sich ja auch die Gewerkschaft bis vor einem Jahr noch vorstellen können. Sämtliche Aufgaben der AUVA könnte man auf die restlichen, viel effizienteren SV-Trägern und auf das Arbeitsinspektorat aufteilen  –  KV: Finanzierung der Unfallheilbehandlung, Entgeltfortzahlung; PV: Auszahlen der Renten und Finanzierung der Reha; Arbeitsinspektorat: Prävention. Die Reha-Einrichtungen und die UKHs hätten ganz leicht von anderen Trägern übernommen werden können, davon abgesehen, dass Spitalsfinanzierung und Spitalsträgerschaft in einer Hand ohnehin nicht wünschenswert ist. Das Problem ist allerdings das überdurchschnittliche Gehaltsniveau. Hier stellt sich die Frage, ob man nicht in den Ausbau der Unfallstationen in den Fondsspitälern investieren sollte, gleichzeitig die UKHs zurückfährt und mittelfristig schließt. Denn Privilegien  von diesem Ausmaß sind im öffentlichen Bereich unerträglich – von den AUVA/UKH-Sonderpensionen hab ich an dieser Stelle noch gar nicht gesprochen. Das Burgenland, NÖ, Tirol und Vorarlberg zeigen ja auch vor, dass man auch ohne UKHs auskommt.

Wenn man sich dazu entschließt die Unfallversicherung aufrecht zu erhalten, muss auf jeden Fall auf die Versicherungspflicht umgestellt werden, welche es den Unternehmen (in Absprache mit den Mitarbeitern) erlaubt, alternativ zu privaten Unfallversicherungen zu wechseln. Der träge Monopolist AUVA und dessen reformunfähiges Management ist ja im Grunde genommen eine einzige Provokation für jeden Unternehmer.

PS: SPÖ/ÖGB/AK waren übrigens erst ab dem Zeitpunkt vehement gegen Reformen bei AUVA, als Regierung plante, die AUVA nicht notwendigerweise aufzulösen und stattdessen eine Senkung der Quersubventionierung in die Krankenversicherung und eine Senkung der AUVA-Beiträge in Aussicht stellte. Die ursprüngliche Einstellung SPÖ/ÖGB/AK  gegenüber der AUVA kann man sehr schön aus dem gewerkschaftlichen Studienkonzept zur LSE-Studie herauslesen – “weg damit” steht dort zusammengefasst (LINK) (siehe Text-Grafik)

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Effizienz, Effektivität, Verantwortungsbewusstsein und Glaubwürdigkeit sind nicht gerade die Stärken der österreichischen Sozialversicherung.

Effizienz: Dass sich die SV schwer mit Effizienz tut, sieht man am besten an den eigenen Spitälern oder Ambulatorien. Das Hanusch-KH benötigt mittlerweile pro Bett dreimal so viel Verlustdeckung wie die KAV-Spitäler (Abb. 1). Die Kassenambulatorien sind ohnehin ein Fass ohne Boden (LINK). Im Wesentlichen entzieht man durch diese kasseneigenen Geldvernichtungsmaschinen den Vertragsärztebereich und den anderen Spitälern massiv an Finanzkraft.

Abb. 1: Defizitdeckung je Bett 2016

Effektivität: Ein guter Indikator für das Funktionieren eines Gesundheitssystems ist die Diabetes-Versorgung. Und die ist in Österreich mehr als unterdurchschnittlich. Ich hab bereits im November 2017 darüber geschrieben (LINK). Aber es geht leider völlig an den SV-Funktionären vorbei, dass es in der SV in jeder Hinsicht (Verwaltung, Finanzierung, Versorgung) massive Änderungen braucht. Größere Änderungen sind wohl nur mit einer neuen Generation an SV-Verantwortlichen möglich, denn die aktuellen Funktionäre sind ja schon mit der im Herbst geplanten reinen Organisationsreform der SV völlig überfordert.

Verantwortungsbewusstsein: Auch mit der Verantwortung hat man es in der SV nicht so wirklich. Wenn die SV für etwas steht, dann für ungestraftes Weiterwurschteln, trotz mehrfach nachgewiesenem Missmanagement (ein Beispiel: Wiener GKK). Aber es ist den meisten (den Kammern völlig ausgelieferten) SV-Funktionären wahrscheinlich auch völlig egal, was im österreichischen Gesundheitswesen oder mit den Patienten passiert. Spätestens ab dem Zeitpunkt, ab dem der kammergesteuerte SV-Funktionär auf seinem Pöstelchen sitzt. Das liegt auch daran, dass nur solche Leute in der SV Funktionärsposten übernehmen, die vorher brav in den Kammern gespurt haben – wenige Ausnahmen bestätigen die Regel. Immer wieder kurios ist, dass man sich in der SV bei unangenehmen Angelegenheiten (Leistungsablehnung) in der schönsten staatlichen Behördenart auf die Gesetzesparagraphen hinausredet (“Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet!”), aber nicht umsonst sinkt die Kundenzufriedenheit mit der SV seit Jahren (LINK). Wenn aber dann der Gesetzgeber längst fällige Veränderungen in der SV plant und im „SV-Ruheabteil“ um “5 nach 12″ eingreifen will, ist das dann auf einmal immer  ein “ungheuerlicher” Eingriff in die Selbstverwaltung und der Faule wird ganz plötzlich hektisch (“fleißig” wäre übertrieben).

Glaubwürdigkeit: Da ist dann jedes Mittel recht, wie zum Beispiel heute im “Kurier” (LINK). Da heult sich der Hauptverbandschef wieder über die Ausgabenbremse aus und verbreitet in einer Schlagzahl Unwahrheiten, dass man sich die Frage stellt: “Macht er das bewusst oder ist man in der SV intellektuell mit § 716 ASVG überfordert?” (Stichwort: RH-Bericht zur SV-Compliance LINK – SV-Funktionäre müssen keine Mindestqualifikation vorweisen). Wenn bis 2019 keine Baubewilligungen vergeben werden, dann nur für kasseninterne Projekte, wie beispielsweise bei den oben genannten Geldvernichtungseinrichtungen namens “Kassenambulatorien”, aber definitiv nicht für Primärversorgungseinheiten oder Vertragsarztpraxen.

Abb. 2: Finanzzielsteuerung – Artikel 15 (4) Ziff. 2 15a B-VG Zielsteuerung-Gesundheit

Zudem sei bezüglich Glaubwürdigkeit der SV auch die Frage erlaubt, ob man sich in der SV noch an die Finanzzielsteuerung erinnert!? Jo, laung is her. Laut diesem SPÖVP-Beschluss aus 2016, unter Akklamation der SV, hat sich die SV zu einer allgemeinen Ausgabenbremse verpflichtet, dernach die Krankenkassen-Ausgaben bis 2021 nur noch mit 3,2% steigen dürfen – Artikel 15 (4) Ziff. 2 -15a B-VG Zielsteuerung-Gesundheit (Abb. 2). Wenn man nun die Honorarbremse, die durch das Beitragswachstum begrenzt ist (2017: 4,0%, 2010-2017: du. 3,6% pro Jahr), mit der Finanzzielsteuerungs-Ausgabengrenze vergleicht (2018: 3,5%, 2019: 3,4%, 2020: 3,3%, 2021: 3,2%), welche Ausgabenbremse ist nun die stärkere Beschränkung für die SV? Klingelt es da bei dem einen oder anderen SV-Funktionär oder dem Dr. Biach. Also selbst wenn die Sozialbastler die Honorarbremse erfolgreich wegklagen, haben sie immer noch ein Problem.

Abb. 3: Entwicklungen in der KV 2007-2017

Zum Schluss, wie ernst kann man einen SV-Chef und seine Funktionärsriege eigentlich bei der Kritik an der Honorabremse (§ 716 ASVG) nehmen. Denn die Honorarbremse begrenzt das Honorarvolumen der Ärzte zwar mit dem Beitragswachstum. Doch die Entwicklungen der letzten 10 Jahre zeigen, dass die Honorarvolumssteigerungen nicht mal annähernd die Beitragssteigerungen erreicht haben (Abb. 3). Sprich: die Kassen verknappen den Vertragsärztebereich still und heimlich und lagern in den Wahlärztebereich aus, den sich in erster Linie aber nur die gut verdienenden Beamten leisten können (Abb. 4).  Konkret, die SV überdeckt mit ihrer scheinheiligen Kritik an der Ausgabenbremse ihre eigene Verknappungspolitik der letzten Jahre. Der SV ist diese Verknappungspolitik offensichtlich auch ziemlich peinlich, nicht umsonst veröffentlicht sie seit “SV in Zahlen 2017″ keine Zahlen mehr, die Schlüsse über die Vertagsärzte- und Wahlärzte-Entwicklung zulassen. Aber das wird dem durchschnittlichen SV-Funktionär nur schwer verständlich gemacht werden können, denn laut dem oben genannten RH-Bericht, brauchen die kammergezüchteten SV-Funktionäre keine Mindestqualifikation für ihre Funktionen…

Abb. 4: Wahlarztkostenrefundierungen 2017

Anhang: Meine Lieblingsstelle im RH-Bericht – man kann sich daraus ein sehr schönes Bild über die Qualifikation der SV-Funktionäre machen… (RH-Bericht zur SV-Compliance LINK)

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Arten von Selbstbehalten und deren (schlechte) Dokumentation

Wenn wir von Selbstbehalten in der Krankenversicherung sprechen, von was reden wir da eigentlich? Grundsätzlich deckt keine einzige Kasse sämtliche Gesundheitsleistungen ab, wodurch die Versicherten für einen Teil ihrer Leistungen selbst aufkommen müssen. Dieser „Teil“ ist mittlerweile ziemlich hoch, denn laut Statistik Austria standen im ambulanten Bereich 6,9 Mrd. Euro öffentlichen Ausgaben 2,8 Mrd. Euro private Ausgaben gegenüber (2016). Damit liegt der Anteil der privaten ambulanten Gesundheitsausgaben bei 29% der gesamten ambulanten Gesundheitsausgaben. Wie hoch die Eigenbeiträge der Versicherten je Kasse sind, kann man nicht genau sagen, da die Kassen die Selbstbehalte nur teilweise dokumentieren. Die Kassen wollen die genaue Höhe der Versicherten-Eigenbeiträge wahrscheinlich auch gar nicht wissen…

Bei den Selbstbehalten kann man bei den österreichischen Kassen in folgende drei Arten einteilen:

Abb 1: Arten von Selbstbehalte und Dokumention

a) Klassischer Selbstbehalt

Bei den klassischen Selbstbehalten (Rezeptgebühr, Behandlungsbeiträge) übernimmt die Kasse die  Kosten der Leistung, der Versicherte ist aber zu einem Eigenbeitrag verpflichtet – z.B.: 6 Euro Rezeptgebühr bei Medikamenten oder 10% Behandlungsbeitrag beim niedergelassenen Arzt. Diese Art der Selbstbehalte ist von den Kassen sehr gut dokumentiert. Der Leistungspreis wird auf einem Leistungsausgabenkonto verbucht und die Selbstbehalte auf einem Ertragskonto.

b) Zuschuss-Leistungen

Bei der zweiten Art der Selbstbehalte zahlt die Kasse lediglich Zuschüsse (z.B.: Zeckenschutzimpfstoff). Was die Leistung den Versicherten dann schlussendlich kostet, ist für die Kasse nicht relevant und wird auch nicht dokumentiert. Ab hier ist nicht mehr genau eruierbar, viel die Versicherten einer bestimmten Kasse an Eigenbeiträgen zahlen. Die Kasse verbucht lediglich den Zuschuss auf einem Leistungsausgabenkonto.

Beispiel: Zeckenschutzimpfstoff. Eine GKK schießt hier 4 Euro zu. Der Versicherte bezahlt aber 30-50 Euro für den Impfstoff. Das heißt, uns gehen in der Dokumentation 26-46 Euro an Selbstbehalten verloren.

c) Wahlarzt-Leistungen

Diese Art der Selbstbehalte ist den Zuschuss-Leistungen sehr ähnlich. Der Versicherte nimmt eine Leistung in Anspruch, zahlt die Rechnung zunächst selbst und stellt einen Antrag auf Kostenrückerstattung. Danach sieht die Kasse in ihrem Leistungskatalog nach, was sie für diese Leistunge einem Vertragsarzt zahlen würde und refundiert dem Versicherten 80% davon. 20% behält die Kasse an Verwaltungsaufwand ein. In der Praxis liegen die Wahlarztausgaben natürlich deutlich über der Bewertung des Leistungskatalogs, wodurch der Versicherte nur einen minimalen Teil seiner Ausgaben von der Kasse ersetzt bekommt. Dokumentiert wird von der Kasse lediglich die Kostenrückerstattung.

Beispiel: Der Versicherte geht zu einem Wahl-Orthopäden und zahlt ihm für die Behandlung 50 Euro. Die Kasse würde einem Vertrags-Orthopäden laut Leistungskatalog 10 Euro zahlen und refundiert somit dem Versicherten 8 Euro.

Zusammenfassend:

Die Dokumentation über die Versicherten-Selbstbehalte ist nur bei den klassischen Selbstbehalten vollständig (Rezeptgebühr, Behandlungsbeiträge). Bei Zuschuss-Leistungen und Wahlarztleistungen werden die Selbstbehalte jedoch nicht von den Kassen dokumentiert, weshalb man nicht genau sagen kann, was je Kasse an tatsächlichen Versicherten-Eigenbeiträgen anfällt. Grundsätzlich könnten die Kassen beim Rückerstattungsantrag die Rechnungsbeträge der Zuschuss-/Wahlarzt-Leistungen mitdokumentieren, da für die Rückerstattung von den Versicherten ja eine Rechnung vorgelegt werden muss. Die Frage ist, wollen die Kassen das?

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Funktionärsreform statt Strukturreform. Und was wurde versäumt?

Inhalt:

1) Vorweg
2) Zusammengefasst haben wir auch nach der Reform…
3) Viel Lärm um wenig
4) Ernüchterung bei der „Minister-Aussprache“ im Sozialausschuss
5) Was wurde versäumt?
6) Wie haben es die Deutschen gemacht?
7) Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

 1) Vorweg

Die Regierung hat zwar mehr geschafft als die Vorgängerregierungen in den letzten zwölf Jahren. Allerdings wurden nur die politischen Gegner, nämlich die mehrheitlich roten Arbeiterkammern und ihre Kassen (Finanzierung des niedergelassenen Bereichs), Umstrukturierungen ausgesetzt. Die mehrheitlich schwarzen Länder, die ihrerseits für die komplexe Spitalsfinanzierung veranwortlich sind, wurden dagegen nicht mal ansatzweise angetastet. Während also die Kassenfusionen („horizontale Integration“) im Gegenlager angegangen wurden, hat man nicht mal versucht, die fehlende sektorübergreifende Finanzierung zu schaffen („vertikale Integration“ oder „Finanzierung aus einer Hand“), weil es das eigene Lager betroffen hätte. Der Regieurng spielte diesbezüglich in die Hände, dass warhscheinlich nur ein Bruchteil der Bevölkerung die ländergeführten Landesgesundheitsfonds kennt. Für mehr Gerechtigkeit zwischen den Versicherten sorgt diese Reform definitiv nicht. Beamte (BVA), Landesbeamte und Gemeindebeamte (KFA), sowie Eisenbahner bleiben weiterhin privilegiert. Trotzdem, von denen die sich jetzt am lautstärksten über die Regierungspläne aufregen, müssen sich vor allem die SPÖ/AK/ÖGB/Kassen selbst an der Nase nehmen. Denn Reformen in der SV waren/sind überfällig, und von den SV-Vertretern sind in den letzten Jahren keine ernsthaften Reforminitiativen gekommen, da die Funktionärsposten immer höher gewichtet wurden als die Versichertenwohl und deren Zufriedenheit. Und wie heißt es so schön: “Nur wer schreibt, der bleibt…”

2) Zusammengefasst haben wir auch nach der Reform…:

  • keine echte Selbstverwaltung in der die Funktionäre durch die Versicherten/Arbeitgeber direkt gewählt werden (Sozialwahlen)
  • keine „Finanzierung aus einer Hand“
  • keine faire Verteilung der Finanzmittel zwischen den Krankenkassen/KFAs (Risikostrukturausgleich)
  • keinen einheitlichen Leistungskatalog
  • keine freie Kassenwahl, obwohl wir nach der Reform immer noch 23 Krankenkassen/KFAs haben
  • keine Wahlmöglichkeit zwischen Selbstbehalts- oder Vollversicherungsmodell
  • keine Möglichkeit sich alternativ bei privaten Krankenversicherungen voll zu versichern (innerhalb des Ausgleichssystems – siehe SPD-Bürgerversicherung)

3) Viel Lärm um wenig

Drei Studien zur Reformierung der Sozialversicherung wurden im Laufe des Jahres 2017 veröffentlicht. Entsprechend groß war die Reform-Erwartungshaltung, die durch die Ankündigung über eine mögliche Auflösung der AUVA im April sogar noch gesteigert wurde. Was aber dann schlussendlich rausgekommen ist, war lediglich eine einfache Funktionärsreform, sprich: alles bleibt gleich, nur mit weniger Funktionären. Verglichen mit Deutschland, haben wir aber immer noch zu viele Funktionäre. Der Schmäh mit den fünf Kassen hat zumindest bei den weniger Interessierten gefruchtet. Aber eigentlich haben wir von 36 Kassen (KV, UV, PV) auf 26 reduziert, wobei es sich bei der ÖGK, SVS und VAÖD vermutlich nur um oberflächliche Fusionen handeln wird. Die einzelnen Sparten werden innerhalb der Träger höchstwahrscheinlich fortgeführt. Ob die Regierung jemals wirkliche Reformen im Sinne gehabt hat, wage ich zu bezweifeln, denn 2/3-Mehrheiten braucht es für die angekündigten Änderungen nicht. Für die Regierung reichte lediglich ein groß inszeniertes, in Wahrheit aber kleines Geplänkel, um in der Öffentlichkeit Stärke zu demonstrieren. Und das ist gelungen.

4) Ernüchterung bei der „Minister-Aussprache“ im Sozialausschuss

Wer beim letzten Sozialausschuss dabei war oder in der Parlamentskorrespondenz liest (LINK), wird bestätigt sein, dass die Regierung nie mehr als eine kleine Funktionärsreform im Sinne hatte. Der Ministerin fehlt mittlerweile leider jegliche Reformleidenschaft. Denn anstatt die unvorteilhafte strukturelle Situation im Gesundheitssystem dramatisch zu schildern und die nötigen Änderungen mitreisend vorzutragen, hat sie im Sozialausschuss lediglich einen vorbereiteten Text runtergelesen. Das Niveau steigerte sich auch im Verlauf des Ausschusses nicht. Zum einen folgten auf die Oppositions-Fragen, wieso auf Vorschläge der SV-Studien (Risikostrukturausgleich, Leistungsharmonisierung, Finanzierung aus einer Hand, Einbeziehung der KFAs in die Reform,…) bei der Reform nicht eingegangen wurde, vorbereitete und dadurch auf die Fragen nicht immer stimmige Antworten. Zum anderen zeigte die Ministerin mit ihren Antworten, dass die Regierung nie wirklich vorhatte, ernsthafte Widerstände durch die Länder (KFA, Landesgesundheitsfonds) zu brechen.

Wem bis dahin immer noch nicht klar war, dass die Reform abgesagt ist, dem machte es der ÖVP-Klubobmann und „Schattenminister“ mit seinen plumpen Aussagen nochmal deutlich: „Jo eh, gleiche Leistung bei gleichen Beiträgen, oba nua im gleichen Träger!“ oder „Und zu Ihna a nu, Herr Kollege Loacker, i woaß gor net, wos Sie mit der freien Kassenwohi woin? Dass ma si de Kraunkenversicherung aussuacht, wia bei da Autohoftpflichtversicherung, oda wos!?“

5) Was wurde versäumt?

Wir haben leider eine riesige Reform versäumt. Das Problem ist, dass die relevanten Personen der Sozialversicherung und Regierung keine Erfahrung in anderen Kassensystemen gemacht haben. Zudem bin ich skeptisch, ob die Zwangsfusionen was bringen. Man hätte Wettbewerbs-Vorrausetzungen (RSA) schaffen müssen, danach die Kassen in den Wettbewerb sicken sollen (freie Kassenwahl) und sie ihren Weg (Fusionen) alleine finden lassen sollen. Wie man in den Wettbewerbskassensystemen (CH, D, NL) beobachten kann, steigert der Wettbewerb nicht nur die Innovationskraft bezüglich der Patientenversorgung, sondern er erhöht auch den Krankenkassen-Outcome, die Versichertenzufriedenheit und die Attraktivität der Krankenkassen als Arbeitgeber.

Das was versäumt wurde, ist aber viel weitreichender. Denn durch die permanente Zwangszuordnung in Kammern und Kassen kommt es zu einer schleichenden Entmündigung und zu einer abnehmenden Eigenständigkeit der Bevölkerung, frei nach dem Motto: “Des mocht eh die Kassa, do muas i nix mochen.”  oder “Des mocht eh die Kaumma, da brauch i nix mochen.” Wenn die Regierung solche Wähler-Zombies haben will, soll sie es bitte offen sagen.

6) Wie haben es die Deutschen gemacht?

Aber was in Wettbewerbskassensystemen anders gelaufen als bei uns. Grundsätzlich sind auch dort nicht die Reformen vom Himmel gefallen, wie man am Beispiel Deutschland erkennen kann:

Situation in Deutschland 1970

Keine Finanzierung aus einer Hand, keine freie Kassenwahl, trotzdem tausend Kassen. Also wie bei uns.

Deutscher Reformpfad

Abb. 1: Kassensystem-Evolution: Österreich vs. Deutschland

D: 1974: Begonnen hat man zunächst in den 1970ern mit der „Finanzierung aus einer Hand“. Damit wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass Kassen die Versicherten nicht ins Krankenhaus verscheuchen, sondern versuchen, sie niedergelassen zu versorgen.

Ö: Für uns bedeutet das, Landesgesundheitsfonds auflösen und in die Kassen integrieren. Zunächst könnte man auch die gesamte Krankenhausfinanzierung der Bundesgesundheitsagentur überlassen.

D: 1994 hat man mit den Vorbereitungen für die freie Kassenwahl begonnen und einen umfassenden Kassenfinanzausgleich zwischen sämtlichen Kassen etabliert (Risikostrukturausgleich). Damit war sichergestellt, dass alle Kassen bedarfsgerecht finanziert waren und sich den gleichen Leistungskatalog leisten können.

Ö: das bedeutet, dass wir den GKK-Ausgleichsfonds auf sämtliche Kassen und Krankenfürsorgeanstalten ausweiten müssen. Zudem werden ohne ordentlichen regionalen Risikosstrukturausgleich, innerhalb der ÖGK die Mittel noch leichter von unterversorgten Gebieten (Lungau, Waldviertel,…) in überversorgte Gebiete (Wien) fließen – bei der Aufteilung in 9 GKKn, hat es zumindest noch Widerstand gegeben.

D: 1996 war man dann in Deutschland für die freie Kassenwahl bereit, ab nun konnten sich die Versicherten ihre Kasse selbst aussuchen. Insgesamt hat das zu einer steigenden Zufriedenheit mit dem Kassensystem geführt, weil man ab nun bei Unzufriedenheit wechseln konnte.

Ö: die freie Versicherungswahl bei Mehrfachversicherung ist zumindest ein erster Schritt. Allerdings müssen weitere folgen, jeder soll wählen dürfen. Alternativ muss ein umfassendens, transparentes Benchmarking zwischen den Kassen her oder sogar regionale Zusatzbeiträge. Die Gefahr besteht sonst, dass sich in der vom RH mehrfach kritisierten WGKK oder in der finanzstarken BVA  und den KFAs sämtliche Effizienzgedanken verabschieden.

D: 2003 führte man eine bundesweit einheitliche Krankenhausfinanzierung ein (DRG). Um eine saubere Abrechnung zu garantieren, stärkte man die kassenindividuellen und kassenübergreifenden Prüfdienste.

Ö: für Österreich bedeutet das, dass man die LKF-Finanzierung in der Bundesgesundheitsagentur bündelt und einheitlich abrechnet. In einem weiteren Schritt kann man die Spitalsfinanzierung immer noch an die Kassen übertragen (Finanzierung aus einer Hand). Unabhängig was passiert, müssen die Prüftätigkeiten der Landesgesundheitsfonds oder der Bundesgesundheitsagentur gestärkt werden.

D: Seit 2015 sorgen regionale/kassenindividuelle Zusatzbeiträge, dass weniger effiziente Kassen oder Kassen mit besseren Zusatzleistungen ihre Mehrkosten in Zusatzbeiträge abbilden müssen. Außerdem sind in den schlechter versorgten Gebieten (Ostdeutschland) im Schnitt geringere Zusatzbeiträge zu beobachten.

Ö: für uns bedeutet das, dass man für selbst verursachte Mehrkosten und bessere Leistungen endlich selbst verantwortlich sein muss und die Kassen daher entsprechend Zusatzbeiträge verlangen müssen. Danach würde das Herumwurschteln so mancher Kassen wahrscheinlich sehr schnell ein Ende haben.

Im Laufe der deutschen Reformen ist es weiters zu einer Zunahme der Versorgungsprogramme (Hausarztzentrierte Versorgung, Strukturierte Versorgung, Integrierte Versorgung) gekommen, weil damit den Kassen die Steuerung und Versorgung ihrer Versicherten leichter fällt. Die angenehme Nebeneffekt ist dabei nicht nur eine Kosteneinsparung, sondern auch eine qualitativ bessere Versorgung und besserer Outcome. Zu guter Letzt können die Versicherten zwischen einem Vollversicherungsmodell oder Selbstbehaltsmodell optieren. Diese Wahlmöglichkeit hängt nicht von der Kassenzugehörigkeit ab, wie bei uns, sondern jede Kasse bietet Selbstbehaltmodelle.

7) Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Zwar hat die Regierung mehr geschafft als die Vorgängerregierungen der letzten 12 Jahre, aber eigentlich ist bis auf eine kleine Funktionärsreform nix passiert – 26 statt 36 SV-Trägern und Krankenfürsorgeanstalten (siehe Abb. 2). Die Versicherten haben davon nichts, gerade für benachteiligte Versicherte wird nichts besser. Beamte bleiben weitehin privilegiert. Regierungsnähe wurde belohnt, denn die mehrheitlich schwarzen Länder und ihre Landesgesundheitsfonds wurden von der Reform komplett ausgenommen, obwohl eine Zusammenlegung von Krankenkassen und Landesgesundheitsfonds („Finanzierung aus einer Hand“) wahrscheinlich den größten Effekt gehabt hätte. Übersehen hat die Regierung lediglich, dass durch die GKK-Fusion, die chronisch defizitäre Wiener GKK noch leichter an die Mittel der 8 Bundesländer-GKKn kommt. Unterversorgte Gebiete (Lungau, Waldviertel,…) leiden unter dieser Reform, übervesorgte profitieren (vor allem Wien). Grundsätzlich ist schade, dass die relevanten Personen wenig Erfahrung/Ahnung in/von anderen Kassensystemen haben. In Deutschland, der Schweiz und Holland ist eine wesentlich stärkere Innovationsdynamik zu beobachten, wobei die Innovation großteils wettbewerbsbedingt aus dem Kassensystemen selbst kommt. Freie Kassenwahl und mehr Wettbewerb haben für diese Regierung leider keine Bedeutung, wodurch die Innovationskraft des Kassensystems weiterhin leiden wird. Zudem können die Versicherten weiterhin nicht kassenunabhängig zu Selbstbehaltsmodellen optieren. Der Bevormundungsstaat wurde also untermauert, und somit auch die schleichende Entmündigung und Entselbstständigung der Gesellschaft. Jetzt stellt sich die Frage, will das die Regierung bewusst oder ist es ihr einfach passiert.

Abb. 2: Kassen vorher und nachher

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Was bedeutet Selbstverwaltung wirklich und wieso haben wir sie immer noch nicht?

Selbstverwaltung alt – nichtrepräsentative Lobbys statt den Versicherten

Die Wiener Gebietskrankenkasse definiert die Selbstverwaltung folgendermaßen:

„Selbstverwaltung bedeutet, dass der Staat Aufgaben der öffentlichen Hand Personengruppen überlässt, die davon unmittelbar betroffen sind.“ (LINK)

Das bedeutet, dass vom Säugling bis zum Greis alle Menschen Teil der Selbstverwaltung sind. Was die WGKK allerdings nicht schreibt, dass sie nämlich mit „alle“ lediglich Funktionäre von AK/ÖGB/WK. Diese Organisationen repräsentieren aber nur knapp die Hälfte der Bevölkerung. Mal davon abgesehen, dass die Pflichtmitglieder von AK/ÖGB/WK wohl kaum bei AK/ÖGB/WK-Wahlen über die Sozialversicherungsausrichtung abstimmen. Viele wissen wahrscheinlich auch gar nicht, dass AK/ÖGB/WK die Kassengremien besetzen.

Grundsätzlich ist das zwar ein Vorteil, dass die AK/ÖGB/WK-Funktionäre bei AK/ÖGB/WK-Wahlen bezüglich ihrer Entscheidungen in Kassen-Gremien nicht in Verbindung gebracht und abgestraft werden, aber die Funktionäre nutzen diesen Vorteil nicht, um wirkliche Reformen in der Sozialversicherung durchzusetzen, und da gäbe es laut RH genug Reformpotential (LINK, S. 5). Darum ist die es sinnlos, die aktuelle Gremienbesetzung der Kassen weiterhin über AK/ÖGB/WK-Funktionäre zu erledigen. Aber was sind die besseren Alternativen.

Selbstverwaltung neu – Sozialwahlen

Die Deutschen sind uns da wieder mal weit voraus. Die Gremienbesetzung der Kassen erfolgt nicht indirekt über Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter-Wahlen, sondern direkt. Bei der größten deutschen Krankenkasse, der Techniker Krankenkasse (10 Mio. Versicherte), stimmen die Beitragszahler und Arbeitgeber direkt über die Besetzung des 30-köpfigen Verwaltungsrates ab. Dabei können sich Listen aufstellen lassen, die mit der Kasse in Verbindung stehen – Versicherten/Arbeitnehmer-Listen und Arbeitgeber-Listen. Sollten sich die Listen untereinander auf die Verwaltungsratsbesetzung einigen, gibt es keine Wahlen (Friedenwahl), was zumindest Wahlkosten erspart. Bei der Techniker Krankenkasse hat es diese Einigung zuletzt nicht gegeben, weshalb ihre Mitglieder zur Wahlurne gebeten wurden (LINK). Der daraus hervorgehende Verwaltungsrat (entspricht Aufsichtsrat) bestimmt dann Vorstand. Also eigentlich wie in einem modernen Unternehmen. Der Vorstand muss natürlich kein AK/ÖGB/WK oder sonstiger Parteigänger sein, es kann jede qualifizierte Person sein.

=> Das ist moderne Selbstverwaltung. In Österreich hat man aber nach wie vor eine eingeschränkte Vorstellung von Selbstverwaltung – nur AK/ÖGB/WK dürfen selbstverwalten.

Vergleich Vorarlberger GKK und Techniker Krankenkasse

Interessant ist ein Vergleich der GKK, die zuletzt am lautesten geschrien hat, Vorarlberger GKK, mit der Techniker Krankenkasse (TK). Die VGKK hat zwar nur 250.000 Versicherte aber deutlich mehr Funktionäre als die 10 Mio. Versicherte große TK.

Zudem gibt es in der VGKK 5 Funktionärsebenen (Beitrat, Generalversammlung, Vorstand, Kontrollausschuss, Direktion), während sich die TK-Funktionäre auf das übliche 2-Ebenen-System aufgeteilt sind – Aufsichtsrat und Vorstand.

Tja, und während in der VGKK die Gremien durch die üblichen Parteigänger besetzt werden, wird, wie erwähnt, der TK-Verwaltungsrat durch die Sozialwahlen von den Mitgliedern bestimmt. Das ist Selbstverwaltung im eigentlichen Sinn.

Abb. 1: Gremien, Vorarlberger GKK vs. Techniker Krankenkasse

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Warum sind „Strukturierte Behandlungsprogramme“ (DMP) in Österreich wenig verbreitet?

Zunächst ein paar Zahlen. Aktuell werden in Deutschland 6,6 Mio. chronisch kranke Menschen strukturiert versorgt (8,0% der Bevölkerung – LINK). In Österreich sind grad mal 65.000 Menschen in DMPs eingeschrieben (0,75% – LINK). Auch bei der Vielfalt von DMPs hat Deutschland die Nase vorne. Dort beschäftigen sich zwei Programme mit Diabetes (Typ 1 u. Typ 2) und vier weitere Programme mit Asthma, COPD, Herzkreislauf-Erkrankungen u. Brustkrebs. In Österreich wird dagegen nur ein einziges Programm angeboten, nämlich „Therapie aktiv“ (Diabetes-DMP – LINK). Vergleicht man die Diabetes-Einschreiberaten, sind auch hier die quantitativen Unterschiede eklatant. Auf der einen Seite Deutschland, wo mehr als jeder zweite Diabetiker strukturiert versorgt wird. Auf der anderen Seite Österreich, wo nur knapp jeder zehnte Diabetiker in einem DMP ist. Und das, obwohl “Therapie aktiv” eigentlich erfolgreich ist…

Abb. 1: Diabetes-DMP: Österreich vs. Deutschland

Gründe für den deutschen Vorsprung gibt es einige, hier die wahrscheinlich wichtigsten => 1) Fehlende “Finanzierung aus einer Hand”, 2) fehlende morbiditätsorientierte finanzielle Anreize u. 3) fehlender Wettbewerb

1)  Fehlende „Finanzierung aus einer Hand“. Einsparungen kommen nicht bei der Kasse an.

Große Einsparungen werden durch die strukturierte Versorgung in der Regel im stationären Bereich erzielt, da KH-Aufenthalte vermieden werden können oder kürzer ausfallen. Sehr schön hat man das bei der Evaluierung von “Therapie aktiv” (LINK) gesehen. Zwar sind die jährlichen Arztkosten  durch die Strukturierung etwas angestiegen  (+76 Euro je Versicherten). War zu erwarten, da wahrscheinlich zusätzliche Koordinierungskosten durch den Arzt. Der Anstieg wurde aber durch eine jährliche 3-stellige Ersparnis je Versicherten im stationären Bereich mehr als kompensiert (-796 Euro). Geringere Ausgaben für DMP-Teilnehmer wurden auch bei Krankentransportkosten (-35 Euro) und Arzneimitteln (-57 Euro) erzielt. Therapie aktiv ist also durchaus ein Erfolg.

Abb. 2: Einsparungen durch “Therapie aktiv”

Soweit so gut, insgesamt eine Ersparnis von 813 Euro pro Jahr und Versicherten. Jetzt kommt das „Aber“. Die öst. Kassen haben nur kaum etwas von den Einsparungen,  da die Finanzierung des stationären Bereichs bekanntlich die Länder über haben. Kurz gesagt: die Kassen haben die Arbeit und die Länder die Ersparnis. In Deutschland ist das anderes, dort müssen die Kassen nämlich auch die Krankenhäuser finanzieren (Finanzierung aus einer Hand), wodurch die Ersparnis durch die DMPs 1:1 bei den Kassen ankommt.

2)  Fehlende morbiditätsbasierte Finanzierungsanreize der öst. Kassen

Gerade hab ich die stärkere Verbreitung der DMPs in Deutschland mit der Finanzierung aus einer Hand erklärt, welche Anreize auf der Ausgabenseite setzt. Es gibt aber auch einen wichtigen Grund auf der Einnahmenseite. Während sich österreichische Kassen nämlich durch die Forcierung von DMPs keine zusätzlichen Einnahmen erwarten können, werden die deutschen Kassen durch die morbiditätsorientierte Finanzierung motiviert, DMPs zu nutzen, was zusätzliche Einnahmen garantiert. Die DMPs führen nämlich in der Regel neben einer besseren Versorgung auch zu einer besseren Diagnose-Dokumentation von Diabetes-Versicherten. Und ein gut dokumentierter Diabetes-Fall bringt deutschen Kassen zusätzlich 400 bis 10.000 Euro – je nach Schweregrad. Also kein schlechter Anreiz, sich verstärkt mit der strukturierten Versorgung zu beschäftigen.

3) Fehlender Wettbewerb. Kaum Innvoationen. Kassen können nicht in Konkurs gehen.

Ein entscheidender Faktor für Versorgungsinnovationen ist natürlich auch der Kassen-Wettbewerb, auch wenn man das in den Kammern und er SV nicht hören will. Anfang der 1990er Jahre war das deutsche Gesundheitssystem dem aktuellen österreichischen System sehr ähnlich. Lediglich fragmentiert solidarisch, massive Leistungsunterschiede, kein Wettbewerb. Spätestens seit 1994 hat sich das deutsche System aber extrem zum Positiven gewandelt. Finanzielle Verteilungerechtigkeit (RSA ab 1994) und Kassenwettbewerb (ab 1996) haben einen gewaltigen Innovationsschub gebracht (siehe Abb. 3). Seither matchen sich die Kassen darum, wer besser versorgt. Denn wer einen Versorgungsvorteil hat, spart Kosten und kann unter Umständen sogar seine Beiträge senken. Diesbezüglich sind die DMP-Programme einer der größeren Hebel, die deutsche Kassen zur Versorgungssteuerung in der Hand haben. Wer diesbezüglich nix tut, fällt weg. Jährlich reduziert sich die Zahl der deutschen Kassen um min. 5 Mitbewerber.

In Österreich ist es leider aktuell aus Kassensicht völlig egal, ob sich eine Kasse engagiert. „Therapie aktiv“ ist beispielsweise von der Steierischen GKK entwickelt worden und dann erst langsam auf die anderen GKKn ausgerollt worden. Aber selbst, wenn eine Kasse nix tut, kann sie sich drauf verlassen, dass sie entweder über einen Ausgleichsfonds, einen Strukturfonds oder Bundesmittel über Wasser gehalten wird. Es gibt in Österreich weder Wettbewerb noch Konsequenzen die eine passive Kasse zu mehr Anstrengung zwingen können.

Damit man ein Gefühl bekommt, welche Einsparungspotentiale in Österreich durch die geringe Diabetes-DMP-Abdeckung liegen gelassen werden. Aktuell spart man durch “Therapie aktiv” 51 Mio. Euro ein. Würden wir die dt. Einschreibequote von 55% erreichen, würden wir zusätzlich jährlich 262 Mio. Euro einsparen…

 

Abb. 3: Kassensystem-Evolution: Österreich vs. Deutschland

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